Der die Oper zum Denkstück macht

Er gehört zu den Menschen, die sich anstrengen: Stefan Herheim, dessen Inszenierung von Wagners „Parsifal“ heute Abend die Festspiele in Bayreuth eröffnen wird. Der 1970 in Oslo geborene Cellist absolvierte in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre ein Aufbaustudium der Musiktheaterregie bei Götz Friedrich in Hamburg. Schnell kam er ins Geschäft in einem Metier, das seiner Generation noch nicht oft vertraut.

An der Stockholmer Volksoper inszenierte er Mozarts „Così fan tutte“, 2004 in Linz Verdis „Don Carlo“. Schon da überzeugte sein Zugriff auf ein viel gespieltes Werk nicht durch ein revoltierendes Konzept, sondern – fast ohne Gewaltsamkeiten und mithin publikumsfreundlich – durch nachdenklich stimmende Gestaltung der einzelnen Szenen. Diese besondere Handschrift setzte sich fort, als ihm Peter Mussbach an der Berliner Staatsoper Verdis „Macht des Schicksals“ anvertraute. Zutreffend hieß es in der taz damals, sein Wegweiser durch die reichlich abstruse Handlung des Librettos sei „die psychoanalytische Traumdeutung“.

Im vergangenen Jahr sorgte er in Essen für einen viel beachteten „Don Giovanni“. Der Ansatz der Inszenierung beruhte auf einer Übertragung: Herheim versetzte seinen Helden in einen Kirchenraum, ließ ihn zu Beginn aus Leonardos Gemälde „Johannes der Täufer“ herausspringen. Heiligenstatuen griffen ein: Bea Robein, die betrogene Donna Elvira, trat im Gewand der Himmelskönigin auf. Mit intelligenten Bezügen wurde das vernutzte Werk angereichert und von einigen Kritikern als „antiklerikal“ gedeutet.

Dies war auch bereits der Fall, als Herheim 2003 bei den Salzburger Festspielen mit Mozarts „Entführung aus dem Serail“ den Durchbruch in die internationale Oberliga erzielte: fliegende Teppiche über Wien – und darunter die wasserstoffsuperoxydblonde junge Engländerin, die an den Bosporus verschleppt wird und eine funkelnagelneue Hochleistungsküche auf die Bühne gezaubert bekommt, just wie in den großflächigen Siemens-Anzeigen in der arabischen Welt. Herheim setze auf die christlich-aufklärerischen Projektionen ebenso wie die Gewaltfantasien des Singspiels von 1782 und kam dabei ohne die Figur des Bassa Selim aus. Dessen Sentenzen werden auf die verschiedenen Sänger verteilt: Alle durften zeitweise begehrlich und dann edelmütig sein. Nach solch abgründiger Interpretation haben es die, die später kommen, schwer. Nun aber hat Herheim, wenn er in Bayreuth nach Schlingensiefs spektakulärer Überformung des „Parsifal“ bestehen will, keinen leichten Stand. Aber er hat es sich ja von Anfang an nicht leicht gemacht.

FRIEDER REININGHAUS