bücher für randgruppen
: Lasst Bernard Buffet ruhen!

Einer der miserabelsten Künstler der Nachkriegszeit war gleichzeitig auch einer ihrer populärsten: Bernard Buffet – die passende Kunst zum Nierentisch. Auf dem Gipfel seines Erfolges so teuer wie Picasso, schmückten seine flauen Bilder Wände renommierter Museen und 1956 gar das Cover des Spiegels: „Der Mann mit dem goldenen Arm“. Dann erfolgte der jähe Absturz. Allen war es plötzlich peinlich, den Maler derart hochgehievt zu haben. Immerhin wusste Picasso von Anfang an um dessen Qualität: Er hielt ihn für die absolute Null.

Zehn Jahre nach Buffets Tod unternimmt Udo Kittelmann, demnächst Direktor der Nationalgalerie Berlin, den heroischen Versuch, einen Kadaver, der jahrzehntelang versteckt in Depots von geistes- und sinnesschwachen sammelnden Millionären vermoderte, in den Kellern der großen Museen verborgen wurde, wiederzubeleben. Mit atemberaubender Verve wird Buffets dröges Malwerk neben die bewusst schlecht gemalten Gemälde von Francis Picabia oder Martin Kippenberger gestellt. Buffets plump-ordinäre Selbstverramschung wird so plötzlich zum visionären Vorläufer von Andy Warhols intelligent-innovativer Vermarktungsstrategie. Sein späterer Absturz wird als „Verdrängung“ eines „Verfemten“ romantisiert. Logisch, dass Picassos frühe Klarsicht nun einer kruden Verschwörungstheorie gegen einen „ungeliebten Konkurrenten“ weichen muss. Warhols Ausspruch, Buffet sei der „letzte große Maler von Paris“, steht plötzlich völlig ironiefrei im Raum.

Und so basteln Kuratoren, Galeristen und sicher auch ein paar seiner frustrierten Sammler wortreich daran, ein wirklich ödes, belangloses, dummes, einst inflationär verbreitetes Werk zum Vorläufer von Comic-Strip, Pop-Art, Graffiti, Selbstvermarktungsstrategien und was ihnen sonst noch alles einfällt hochzustilisieren.

Es lohnt sich, dieses schamlose Buch zu studieren. So lässt sich ein Eindruck davon bekommen, wie unter Volleinsatz geballter Macht und williger Autoren gemalter Müll plötzlich zu Gold wird, dann zu Scheiße und nun wieder zu Gold werden soll. Es zeigt, wie ein völlig überschätzter Künstler gleichzeitig auch Spielzeug eines sich für omnipotent wähnenden Kunstbetriebs wird. Einst geehrt und wohlhabend, verhöhnt, abgestürzt und nun – frisch aus der Gruft gezerrt, ein wohl letzter Versuch: Der Zombie wird zum anarchistisch visionären Kunst-Punk umdekoriert. Es kann erforscht werden, wie in Verbindung mit einer emsigen Plappermaschine große Bedeutung aus dem Nichts kreiert wird. Gegeizt wird wahrlich nicht mit den guten Namen wehrloser verstorbener Künstler wie Alberto Giacometti und Saul Steinberg, die nun – oh grausame Welt – auf eine Stufe mit Buffets Untalent gestellt werden. Dessen starrer, toter Zeichenduktus verwandelt sich mit Hilfe gewählter Kunstsprache plötzlich in einen „spinnwebartigen Linealstil“. Trés chique! Man könnte meinen, dass das, was Jeff Koons gekonnt umsetzte, nämlich Kitsch clever zu veredeln, ein paar Kannibalen nun am Oeuvre einer Leiche ausprobierten. Gesetzt den Fall, das Vorhaben dieser „Rehabilitation“ würde funktionieren, dann bestünde die Gesellschaft tatsächlich nur noch aus Zynismus, schlechtem Geschmack und erfolgreicher Manipulation. Doch warum verzichtet man dann nur darauf, Buffets Selbstmord mit einer signierten Plastiktüte über seinem Kopf als Meisterwerk avantgardistischer Performance-Kunst zu verkaufen? Das käme noch viel wahnsinniger und genialer als Van Goghs abgetrenntes Ohrläppchen. WOLFGANG MÜLLER

Udo Kittelmannm, Dorothée Brill (Hg.): „Bernard Buffet, Maler, Painter, Peintre“. Walter König, Berlin–Köln 2008, 144 S., ca. 150 furchtbare Abb., 38 Euro