Pata Negra statt Harzer Käse

Deutschland muss für die Spanier in den sechziger Jahren ein kulinarisches Niemandsland gewesen sein. Doch zum Glück der spanischen Lebensmittel-Importeure wandelte sich die Einöde in den deutschen Supermärkten rasch

VON RABEA WACHSMANN

Carlos Salvador verließ Mitte der sechziger Jahre seine Heimatstadt Palencia, in der Mitte Spaniens gelegen, Richtung Hannover. Dort buhlten vor allem der Autofabrikant VW und Keksehersteller Bahlsen um „Gastarbeiter“. Die Spanier, die es Anfang der sechziger Jahre zum Arbeiten in den Norden Deutschlands verschlug, hatten es schwer.

Denn was die kulinarischen Genüsse der iberischen Halbinsel anging, konnten sie nur träumen; vom kräftigen Blauschimmelkäse „Cabrales“ aus Asturien, dem rauchigem Paprika „Pimentón de la Vera“ aus dem Baskenland, ganz zu schweigen vom Schinken des schwarzen Edelschweins „Pata negra“ aus der Extremadura. Die norddeutsche Realität bestand aus Harzer Käse, Dauerwurst und wenig trinkbarem Rotwein. Dazu jede Menge Kohl mit Pinkel und ordentlich Schnaps. In den Regalen der deutschen Supermärkte stand weder Olivenöl, noch Rundkornreis oder Safran, in den Gefriertruhen tummelte sich kaum Fisch.

Die kulinarische Not unter den spanischen Gastarbeitern war vorstellbar groß, eine Paella aussichtslos. Carlos Salvador begann bei seinen Heimreisen das Auto mit spanischen Lebensmitteln vollzupacken. Erst war es ein Auto, dann ein Kleintransporter, schließlich ein LKW, heute ist es eine ganze Flotte. Carlos Salvador der Erste, hat sich inzwischen an der Costa Blanca zur Ruhe gesetzt, während Carlos Salvador der Zweite, sein Sohn, nun den Großhandel leitet.

Sie haben ein beachtliches Imperium geschaffen. Von einer Lagerhalle in Bahrenfeld aus versorgen sie den gesamt norddeutschen Raum mit spanischen Lebensmitteln. Der Zufall wollte es, dass Anfang der achtziger Jahre, ein iberischer Händler, der Wein, Sherry und Portwein in Hamburg vertrieb, pleite ging und Vater Salvador dessen Geschäft übernahm. Sherry, Portwein und Brandy gibt es auch heute noch, doch mittlerweile umfasst das Sortiment mehr als 2.000 Artikel. Auf 7.000 Quadratmetern erstreckt sich das Lager für den Großhandel. Hier lagern Weine, Schinkenkeulen, Fisch, Meeresfrüchte, Oliven, Käse und Wurst. Nebenan befindet sich ein spanischer Supermarkt für jedermann, dazu eine Tapas-Bar mit original andalusisch geblümten Fliesen an der Wand. Dort kocht Senor Rojas spanischen Mittagstisch und bietet Tapas an.

Die deutsche Küche hat sich geöffnet und die Klassiker der spanischen Küche wie „Mojo picón“ mit „papas arugadas“, eine „zarzuela“ vom Fisch und „crema catalana“ kennt mittlerweile jeder Spanienurlauber, es sei denn er beschäftigt sich ausschließlich mit Eimersaufen. Für den heimischen Tapasabend werden eifrig Datteln im Speckmantel gerollt, Manchego-Käse aufgeschnitten, Gambas gebrutzelt und über alles jede Menge Olivenöl geschüttet. Dazu kommt jede Menge Rotwein.

„Unsere Kunden im Einzelhandel sind zur Hälfte der klassische Spanier und der typische Deutsche“, sagt Carlos Salvador junior. Deutsche seien etwas offener, was den Einkaufszettel angehe, und kauften eher Produkte, die sie schon aus den Urlaubsregionen kennen. „Die spanischen Kunden haben dagegen ihren festen Einkaufszettel und kaufen eigentlich immer das Gleiche, die Asiaten kommen vor alle wegen des Fischs“, sagt Salvador. Viele kämen auch nur wegen der spanischen Reinigungsmittel, denn die erinnerten die Leute an Urlaub. Und die Spanier hierzulande schwören ebenfalls auf die heimische, stark nach Sauberkeit duftende Chemie.

Carlos Salvador leitet den Betrieb zusammen mit seinem Schwager Jörg Kögler und auch seine Schwester ist mit dabei. Zwar wollte er schon als kleiner Junge wie der Vater Schinkenkeulen und fässerweise Wein verkaufen, doch als er dann älter wurde und es von ihm erwartet wurde, den Betrieb zu übernehmen, habe das plötzlich anders ausgesehen. Mittlerweile habe er sich in seine Rolle gefunden.