Ich wollt’, ich hätt’ ein Huhn

Die Rebellen, die jahrelang den Norden der Elfenbeinküste kontrollierten, lassen sich demobilisieren. „Ich werde erst mal Essen kaufen“, sagt Alassane Traoré, Kriegsveteran mit Hühnerzuchtambitionen

AUS BOUAKÉ HAKEEM JIMO

Der Kriegsheld selbst überwacht seine Entwaffnung. Mit seiner leicht verkrüppelten rechten Hand schüttelt er die Hände der beistehenden UN-Soldaten, der französischen Militärs und der Soldaten des gemeinsamen Kommandos aus Rebellen und regulären ivorischen Militärs. Cherif Ousmane trägt einen leichten Militäranzug. Die Regenzeit bringt Schwüle. Cherif Ousmane hat sich während der Rebellion den Namen einen Helden erkämpft. In seinen Augen spiegeln sich andere Zeiten wider – Zeiten, als er im Busch die Staatsarmee jagte.

Letztes Jahr einigten sich die Regierung der Elfenbeinküste unter Präsident Laurent Gbagbo und die Rebellen, die seit 2002 die Nordhälfte des Landes regierten, auf eine gemeinsame Regierung und Demobilisierung als Grundbedingung für Wahlen. Die sollen Ende November stattfinden. Zuerst sollten die Pro-Gbagbo-Milizen des Präsidenten an der Reihe sein. Die reguläre Armee der Elfenbeinküste, stationiert im südlichen Teil des Landes und somit im Einflussgebiet des Präsidenten, ist sowieso kaserniert. Nun müssen die Rebellen gruppiert und ins zivile Leben überführt werden. Die ivorische Regierung nannte jüngst die Zahl von 36.000 Kämpfern auf Seiten des Aufstandes.

Einer von ihnen ist Alassane Traoré, geboren 1971. Gleich zu Anfang des Aufstandes 2002 schloss er sich den Rebellen an. Er hatte die Zwei-Klassen-Gesellschaft in der Elfenbeinküste am eigenen Leib gespürt. „Ich hatte es satt, dass die ivorischen Polizisten mir immer sagten, ich sei kein Ivorer, mit der Begründung, ich sei zu groß.“ Wie hunderttausende andere Menschen in der Elfenbeinküste besitzt Alassane Traoré Vorfahren aus den nördlichen Nachbarländern Mali und Burkina Faso aus den Zeiten, als all diese Länder Provinzen von Französisch-Westafrika waren. In den Augen vieler Südivorer – Unterstützer von Präsident Gbagbo – sind Leute wie er daher Ausländer, auch wenn sie in der Elfenbeinküste geboren sind.

Vor dem Aufstand verkaufte Alassane Traoré Glaswaren in Bouaké, der zweitgrößten Stadt der Elfenbeinküste und seit 2002 Hauptstadt der Rebellen. Jetzt hat der 36-jährige Kriegsveteran sein Paket zur Rückkehr ins zivile Leben erhalten. Darin finden sich unter anderem eine Hose, ein Hemd, ein Paar Schlappen, Klopapier, ein Stück Seife, Zahnbürste und Zahnpasta. Nun bleibt als letzte Station noch die Entschädigung. Die Exkämpfer der Rebellen bekommen je 90.000 CFA-Franc – umgerechnet knapp 140 Euro. „Ich werde damit erst mal ein richtiges Essen für meine Familie und mich einkaufen“, sagt der zweifache Familienvater.

Insgesamt dauerte die Demobilisierungsprozedur bei Alassane Traoré acht Tage. Jeden Tag kam er um sechs Uhr morgens zur Kaserne und musste bis weit nach Sonnenuntergang bleiben. In einer „Allgemeinorientierung“ erklären die Demobilisierungswilligen zunächst, was sie zukünftig machen wollen. Dann geben sie ihre Waffen ab, die unter Mithilfe der UN-Mission eingelagert werden. Zuletzt steht die Entschädigungszahlung an. Die Kämpfer können sich für eines von zwei Zivilprogrammen entscheiden: Staatsdienst, zum Beispiel im Zoll, oder Dienst in der Armee, dann bleiben sie gleich in der Kaserne. Aber es gibt nicht unbegrenzt Plätze in der Armee oder den paramilitärischen Einrichtungen.

Alassane Traoré will Hühner züchten. Es gibt auch andere Möglichkeiten. Die 33-jährige Awa Ouattara hat mit über zwei Dutzend anderen Exkämpferinnen ein Gewerbe zur Produktion von „Atieke“ gestartet, der lokalen Spezialität aus gekochtem Maniok. Sie exportieren bis nach Burkina Faso und Niger.

Trotz dieser ermutigenden Beispiele fehlt es im großen Rahmen an Geld, Logistik und letztlich auch am politischen Willen. Die Pro-Gbagbo-Milizen im Süden stehen anders als die Rebellen im Norden weiter unter Waffen. Auch die Entwaffnung der Rebellen verläuft schleppend.

Aber für Alassane Traoré ist die Entwaffnung mehr als ein Symbol. Er spricht von einem Neuanfang in seinem Leben. Auch wenn das, was er nach sechs Jahren Aufstand in der Hand hält, nicht viel ist: das Zivilpaket, eine Ausweiskarte, das Geld und ein Zertifikat, das ihm die Demobilisierung bescheinigt. Jetzt beginnt seine Zukunft.