Drecksjobs für polnische Werftarbeiter

Den Abschied der asbestsanierten Rotterdam aus Wilhelmshaven könnten viele feiern: Der niederländische Reeder etwa oder der polnische Subunternehmer. Wer von einer EU der fairen Arbeitsbedingungen träumt, blickt eher skeptisch an die Jade

VON BENNO SCHIRRMEISTER

Zum Abschied wird niemand winken an Wilhelmshavens Kai. Und doch wird es ein fast historischer Augenblick sein, wenn die SS Rotterdam am Samstag nach zwei Jahren Aufenthalt in See sticht. Einmal wegen des Luxusliners selbst: Als Königin Juliana das größte in den Niederlanden je gebaute Passagierschiff am 13. September 1958 taufte, war ganz Holland auf den Beinen, als Ehrengast der Jungfernfahrt schipperte Kronprinzessin Beatrix mit. Und außerdem: Selten nur wird ein schwimmendes Denkmal asbestsaniert.

Es gäbe auch eine Menge Menschen, die feiern könnten, dass alles so reibungslos geklappt hat: die Eigentümer, De Rotterdam BV, die den Dampfer in ein Kongresszentrum verwandeln. Und die Chefs des Subunternehmers Derksen Dienstverlening sowie dessen eigens gezeugter polnischen Tochter Derksen Polska. Skeptisch nach Wilhelmshaven schaut nur, wer auf eine Europäische Union der fairen Arbeitsbedingungen hofft.

Die nämlich waren, glaubt man den Aussagen der Beschäftigten, die der Europäische Verband der Wanderarbeiter (EVW) mithilfe der IG-Bau protokolliert hat, katastrophal: Alles, was bei Asbestsanierung für die Gesundheit der Arbeiter sorgt, soll defekt gewesen sein, berichteten die im Mai 2007.

Zuerst hätte die Sanierung in Gdánsk geschehen sollen. Von Ende 2005 an lag das Schiff dort auch vor Anker. Doch es gab öffentliche Proteste. Die Behörden hätten die Arbeiten nicht genehmigt, so die Darstellung von Gazeta Wyborcza. De Rotterdam BV behauptet dagegen, ihr seien Zweifel an der sachgemäßen Entsorgung gekommen. Deshalb habe die Rotterdam im Mai 2006 unerledigter Dinge Kurs auf den Jadebusen genommen.

In Wilhelmshaven gab es keinen Protest. Das Asbest liegt jetzt ordnungsgemäß auf der Deponie Wiefels bei Jever. Und zum Selbtschutz sollen den rund 200 in Polen angeworbenen Helfern löchrige Atemmasken, Abluftschläuche mit Lecks, akkubetriebene Filter ohne Akkus und Ganzkörperanzüge mit Rissen zur Verfügung gestanden haben, heißt es. In Gdánsk klagen 70 von ihnen mit Unterstützung des EVW gegen Derksen. „Eine normale Baustelle“, sagt IG Bau-Geschäftsführer Gero Lüers „wäre wegen dieser Mängel gestoppt worden.“

Dafür wäre das Gewerbeaufsichtsamt zuständig gewesen. „Wir haben zahlreiche Kontrollen durchgeführt“, sagt dessen stellvertretender Leiter Walter Kulisch, „unangekündigt und teilweise sogar nachts.“ Auf festgestellte Mängel sei angemessen reagiert worden: „Wir haben mehrere Revisionsschreiben verschickt.“ Die Auflagen hätten die Unternehmen aber erfüllt. Kein Anlass also, die Genehmigung zu canceln.

„Ich kann das nicht nachvollziehen“, sagt Lüers. Gemeinsam mit einer EVW-Vertreterin hatte er im Frühjahr 2007 die Massenunterkunft der polnischen Arbeiter besucht. „Wir sind da hin gegangen, und waren plötzlich umringt von Leuten, die uns die Zustände geschildert haben.“ Auf‘s Schiff durfte er nicht: Polnische Arbeitgeber sind deutschen Gewerkschaftlern keine Rechenschaft schuldig, Werftarbeiten Metaller-Angelegenheit. Und von wem hat überhaupt der EVW sein Mandat?

Den EVW gibt es noch. Die polnische Sektion ist auch weiterhin aktiv. In Wilhelmshaven hat er bewiesen, wie sinnvoll er als europäischer Dachverband wäre. Als solchen hatte die IG-Bau ihn ja gegründet. Mittlerweile aber ist er nur noch ein Verein unter ihrem Dach, seine Aktivitäten sind auf den Zuschnitt der Gewerkschaft beschränkt, erläutert Frank Schmidt-Hullmann. Der kommissarische Leiter der EVW ist Sekretär der IG-Bau-Abteilung Internationale Beziehungen. Weil das Problem in der eigenen Branche so dränge habe man 2005 „den EVW einfach gegründet“. Bloß seien die anderen Einzelgewerkschaften nicht beigetreten. Und in manchen Nachbarländern gab’s Bedenken gegen eine deutsche Initiative. „Wir waren da einfach zu schnell“, sagt er.

Die Wilhelmshavener IG Bau hatte sich schon vorher aus dem Fall zurückgezogen. „Wir konnten das nicht mehr bewältigen“, sagt Lüers. Auch war der Kontakt mit den Arbeitern abgebrochen: Wer sich beklagt hatte war „nach Hause geschickt worden“. Man habe die Angelegenheit zwar „einer anderen Organisation übergeben“. Die habe sich aber kaum gekümmert. Welche? „Das habe ich vergessen“, behauptet er. Echt vergessen? Doch, doch. Doch, ganz bestimmt.