New Orleans: Große Vertreibung nach der Flut

Bremer taz-Mitarbeiter veröffentlicht sozialwissenschaftliche Studie: „Kathrina“ wurde zur sozialen Säuberung genutzt

Drei Jahren nach dem Hurrican „Kathrina“ gibt es in New Orleans Tausende von Obdachlosen, Tausende von Vertriebenen können nicht zurück, gleichzeitig stehen tausende Wohneinheiten leer, intakte Häuser werden abgerissen. Wie kann das sein? Der Bremer taz-Mitarbeiter Christian Jakob hat zusammen mit Friedrich Schorb seine Diplomarbeit über das Phänomen geschrieben, die dieser Tage in ergänzter Fassung im Unrast Verlag Münster erscheint.

Die Autoren haben im Frühjahr 2007 in New Orleans vertriebene Mieter, Verantwortliche aus Bundesbehörden, Manager von Immobilienfirmen, Aktivisten und Bürgerrechtler interviewt. 20.000 Sozialmieter wurden aus ihren weitgehend unbeschädigten Wohnungen in zentraler Innenstadtlage ausgesperrt, das ist das Ergebnis der Arbeit der beiden jungen Bremer Sozialwissenschaftler. Als das Wasser nach den Überschwemmungen wich, zogen die Behörden Zäune um diese Häuser, verrammelten Türen und Fenster und stellten Polizei vor die Eingänge. New Orleans sollte weißer und wohlhabender werden.

Die alten Armenviertel, einst auch Brennpunkte von Gewalt und Kriminalität, wurden von privaten Immobiliengesellschaften abgerissen. Auf den lukrativen Grundstücken entstehen subventionierte Mustersiedlungen mit rigider Hausordnung und teuren Appartements.

Die Eliminierung von Armutsquartieren ist Teil eines Paradigmenwechsels der US-amerikanischen Sozialpolitik, den die Autoren so erklären: „Die Gründe für Armut werden nicht länger in der sich verschärfenden strukturellen und materiellen Ungleichheit, sondern in tatsächlichen und zugeschriebenen Verhaltensweisen der Armutsbevölkerung gesucht.“ Die Vertreibungen durch den Hurrican werden von der Stadt im Sinne dieser neuen Sozialpolitik ausgenutzt. kawe

C. Jakob, F. Schorb. Soziale Säuberung. Unrast Verlag, Münster