Nazis bleiben ungestraft

In Hamburg sind seit 2005 rechtsextremistische Straftaten stetig gestiegen. Gleichzeitig ist allerdings auch die Aufklärungsquote gesunken. Polizei und CDU können dafür keine Gründe nennen

VON KÜBRA YÜCEL

Rechtsradikale hatten 2007 ein angenehmes Jahr in Hamburg: Die Aufklärungsquote rechtsextremistischer Straftaten lag bei mageren 27,4 Prozent – insgesamt sind 241 rechtsextremistische Straftaten ungeklärt geblieben. Damit ist die Aufklärungsquote rapide gesunken, 2005 lag sie noch bei 39,8 Prozent. Gleichzeitig haben sich rechtsextremistische Straftaten seit 2004 fast verdoppelt – von 173 auf 332 in 2007.

Andreas Dressel, Hamburger Bürgerschaftsabgeordneter der SPD, hatte Ende Juli dieses Jahres den Senat um die Auswertung der Daten gebeten. „Die Aufklärungsquote am rechten Rand ist absolut nicht zufriedenstellend.“ Da müsse mehr geschehen – vor allem nach den Ausschreitungen am 1.Mai 2008 müssten alle Beteiligten alarmiert sein, sagt Dressler und wirft eine Frage in den Raum: War der alte CDU-regierte Senat auf dem rechten Auge blind?

„Nein“, sagt Viviane Spethmann, rechtspolitische Sprecherin der CDU und wehrt die Vorwürfe ab. Die Zahlen seien gar nicht so eklatant, wie Herr Dressler sie darstelle. Sie weist darauf hin, dass 2006 die Fälle rechtsextremistischer Kriminalität gesunken seien. Dennoch: Über die letzten fünf Jahre ist die Tendenz steigend. „Wir haben beide Augen offen – rechts und links.“, sagt Spethmann. Die CDU habe die rechte Szene im Blickfeld. Eine Begründung für die sinkende Aufklärungsquote konnte sie nicht liefern.

Einen Versuch wagt der Hamburger Polizeisprecher Ralf Meyer. Er vermutet, Propagandadelikte seien ein Grund für die niedrige Aufklärungsquote. Das sind Straftaten, wie beispielsweise das Beschmieren von Wänden mit rechtsradikalen Slogans und die sind nur schwer aufzuklären, da am Tatort kaum Hinweise auf den Täter zu finden sind. Genau jene Straftaten aber, sagt Meyer seien von 2005 bis 2007 stark angestiegen. „Da auch Propagandadelikte in der Statistik einberechnet werden, könnte das Ursache der sehr niedrigen Aufklärungsquote sein“, sagt Meyer. Auf eine abschließende Ursache möchte er sich allerdings nicht festlegen: „Wir können nur Vadditiveermutungen anstellen.“

Das erklärt eines trotzdem nicht: Selbst wenn die ungelösten Propagandadelikte die Aufklärungsquote nach unten treiben, bleibt die Zahl der geklärten Straftaten bei niedrigen 91 Fällen. 2005 wurden 119 Straftaten aufgeklärt.

Ob Hamburg mit der sinkenden Aufklärungsquote ein Ausnahmefall ist und wie die Hansestadt im norddeutschen Durchschnitt liegt, ist unklar. Auf taz-Anfrage konnten Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bremen bis Redaktionsschluss keine entsprechenden Statistiken vorlegen.

Nun richtet sich Dressel an den schwarz-grünen Senat, Hamburg brauche eine Aufklärungsquote von deutlich mehr als 50 Prozent, bei den Gewalttaten bei mehr als 90 Prozent, damit klar werde: „Rechte Kriminalität wird geahndet und hat Folgen. Kein Nazi darf davon ausgehen dürfen, dass er davon kommt.“ Die Aufklärungsquote von rechtsextremen Gewaltdelikten lag in Hamburg schon einmal bei 90 Prozent. Das war im Jahr 2005. Seitdem sinkt sie stetig: Im vergangenen Jahr lag sie nur noch bei 77,3 Prozent.

Im Oktober wird in Hamburg über den Haushalt beraten. Dann soll geprüft werden, ob der Polizei genug Mittel zur Ermittlung im rechtsextremen Milieu zur Verfügung stehen. Eventuell soll aufgestockt werden. Bis dahin ist aber noch viel Zeit. Die Nazis in Hamburg können sich im Sommer weiterhin entspannen.