hamburg heute
: Öffentliche Predigt

Die „Blinzelbar“ ruft auf zu Kanzelreden und zu einer Kundgebung des Herzens

Zwei Hochsitze warten auf der Großen Bergstraße. Sie laden nicht zur Jagd ein, sondern zum Reden schwingen, Streiten und einander Verse um die Ohren Hauen.

Zum dritten Mal kann man die Türme besteigen und Kanzelreden halten. Für heute meldete sich bereits eine illustre Schar von Redewilligen an: Architekten, die sich zu den Sanierungsplänen der Straße äußern, ein Politiker von den Grünen und eine von den Linken.Worüber sie sprechen will Judith Haman, die Betreiberin der Blinzelbar, noch nicht verraten. Noch nicht einmal die Namen.

Seit drei Jahren gibt es die Blinzelbar, die sich auch auf die Straße, in den öffentlichen Raum heraus traut. Begrüßen würde es Haman, wenn die Hochsitze wie die berühmte „Speaker’s Corner“ in London funktionierten. Wenn sie als demokratische Mittel angeeignet würden. Was, wie und wer hier spricht, ist offen. Auch in welcher Sprache. Gedichte von Schiller erklangen schon aus den Flüstertüten oder eine Schauspielgruppe eroberte die Sitze und deutete den vorbeifahrenden Bus als wildes Tier in Shakespeare’scher Manier.

Streitgespräche und politische Reden hat bisher noch niemand vom Zaun gebrochen. Hierauf hofft die Blinzelbarbetreiberin für heute, denn die Begeisterung für die Hochkanzeln läuft erst langsam an. Zaghafte können sich heute die Kunst des Lamentierens zu Gemüte führen und beim nächsten Mal selbst die Kanzel erklimmen.

Bis Ende September läuft das Projekt noch, das mit Mitteln aus dem Verfügungsfond des Sanierungsbeirats gefördert wird. Vielleicht gehen die Hochsitze danach auf Reisen, um anderswo Stimmen zu erheben. Zumindest wünscht sich das Haman. KEE

Blinzelbar, Gr. Bergstr. 156, 18–20 Uhr