Die Wächter des Regenwaldes

Dschungelartige Wälder bedecken die hügelige Küstenlandschaft von Sierra Leone in Westafrika. Jugendliche aus den nahen Dörfern schieben hier Wache, um die illegale Abholzung zu verhindern

AUS FREETOWN HAKEEM JIMO

Abubakar Kamara hat keine Ahnung, was REDD bedeutet. Aber er versteht auch so, warum die Bäume und der Wald für ihn wichtig sind. Abubakar steht an einem weißen Strand nahe Sierra Leones Hauptstadt Freetown und schaut auf die grünen Hügel. Noch bedecken Bäume die Anhebung gleich hinter dem Küstenstreifen. Aber Abubakar weiß, dass es 20 Kilometer weiter in Richtung Hauptstadt nicht mehr so aussieht. Denn Freetown wächst wie alle Großstädte in Entwicklungsländern in rasantem Tempo. Je weiter die Vororte auf die Halbinsel vordringen, auf der Abubakar wohnt, desto mehr verschwinden die Bäume auf den markanten Hügeln, denen Sierra Leone seinen Namen verdankt: Als die portugiesischen Seefahrer vor Jahrhunderten hier entlangsegelten, erschienen ihnen die Hügel wie Konturen von Löwen. Der ursprüngliche Regenwald um Freetown verschwand, als die Menschen kamen.

Um den heutigen Wald zu erhalten, haben sich die Jugendlichen des Dorfs zusammengeschlossen. Abubakar Kamara sitzt an der Bushaltestelle an der roten Erdpiste, die das Dorf von der Waldgrenze trennt. „Wir passen auf den Wald auf“, sagt der Anfang-20-Jährige. Vor einigen Monaten seien Regierungsbeamte in sein Dorf gekommen, erzählt Abubakar, und fragten, ob sie Arbeit hätten. Als die Männer aus der Stadt erfuhren, dass es hier nicht viel zu tun gebe, boten sie den Jugendlichen an, für das Bewachen des Waldes etwas Geld zu verdienen. Die Jugendlichen des Dorfes mit dem Namen „No.2 River“ willigten ein. Und nun sitzen immer mindestens zwei von ihnen an der Bushaltestelle an der Straße gegenüber vom Wald. Natürlich gehen sie auch auf Patrouille.

Abubakar beschreibt seinen Auftrag: „Wenn wir etwas Verdächtiges sehen, dann sollen wir den ‚Head man‘ oder die Polizei benachrichtigen.“ Als Chef der Forstbehörde Sierra Leones ist Bartholomew Kamara ein solcher „Head man“. „Wir mussten das Verbot zum Schutz unseres Waldes verhängen, weil ausländische Holzfällerfirmen aus China, Guinea und der Elfenbeinküste illegal in unseren Wäldern Bäume schlagen“, sagt er. „Trotz finanzieller Einbußen ist die neue Regierung diesen Weg gegangen, um den chaotischen Holzhandel wieder unter Kontrolle zu bringen, bis die neue Forstpolitik greift.“

Nicht weit von der Forstbehörde hat die Conservation Society of Sierra Leone, eine der größten Umweltschutzorganisationen des Landes, ihre Büroräume. Heute findet hier ein Treffen zum Schutz des Waldes statt. Nicht nur Sierra-Leoner sind anwesend, sondern auch ein Österreicher, Christian Susan. Er hält einen Vortrag über „Reduction of Emissions from Deforestation and Forest Degradation“, kurz REDD. Christian Susan arbeitet für die „Österreichische Bundesforste“, die Beratungen weltweit anbieten. „Wir müssen es schaffen, Ländern mit wertvollen Waldressourcen durch finanzielle Anreize eine Alternative zur kurzfristigen Profitmaximierung, wie Abholzung, zu geben“, erklärt er. Die Runde diskutiert darüber, wie die verbliebenen Regenwälder des kleinen westafrikanischen Landes wirksam geschützt werden können.

„Am Tag, als die neue Regierung das Ausfuhrverbot für Holz bekannt gab, waren wir alle überglücklich“, sagt Daniel Siafa, Leiter der Conservation Society of Sierra Leone. „Aber schon als wir eine Nacht darüber geschlafen hatten, fragten wir uns, ob die Regierung das wirklich durchsetzen kann.“ Sierra Leone hat schon früher das illegale Abholzen untersagt. Jetzt ist auch der Holzexport verboten. Einer in der Umweltrunde berichtet, dass in vielen Gebieten des Landes weiter illegal abgeholzt wird. Daniel Siafa bestätigt: „Nur in den beiden offiziellen Naturparks funktioniert der Schutz einigermaßen, weil der Staat Geld zur Verfügung stellt. Bei anderen Projekten schießen wir Geld zu, damit überhaupt ein bisschen passiert.“

Abubakar Kamara und seine Dorfbewohner setzen sich jetzt aktiv für Waldschutz ein. „Je weniger Bäume auf den Hügeln stehen, desto stärker trifft der Sturm das Dorf, vor allem in der Regenzeit, und Wasser schießt herab“, sagt Abubakar. Die Dorfbewohner haben jetzt mit Aufforstung begonnen. Ein erster Schritt: Holzkohle fürs Kochen muss nun in der Stadt gekauft und nicht mehr selbst im Wald gemacht werden, auch wenn es zunächst mehr kostet.