bücher für randgruppen
: Wie schmeckt die schwule Küche?

Inzwischen existiert in Kaufhäusern eine „Gay-Buchecke“ und irgendwann – wer weiß? – ein schwuler Papst. Die rasante Entwicklung verführt so manch gequälte Existenz dazu, sich endlich von schwerem ideologischem Ballast zu befreien. Nach Jahren der Verdruckstheit darf auch mal gesagt werden, was lange als Tabu galt: Auch Schwule können blöd, fies und eklig sein. Das Odeur der neu gewonnenen Freiheit entströmte einst einem Merkur-Essay. Geschildert wurde die Szenerie aus einem Kreuzberger Café, in dem sich „zwei homosexuelle Männer inniglich küssen und stupsen“ und „benehmen wie junge Hunde“. Um einen schwulenfeindlichen Klang zu vermeiden, durfte der im Zentrum stehende „Hass auf Pärchen“ nicht unmittelbar ausgesprochen werden. Das erledigte die moderne Stellvertreterin: „Dieser Hass schließe schwule Paare durchaus ein.“ Durchaus? Im Subtext erfahren wir, dass der Anblick von miteinander turtelnden, sich dabei selbst vergessenen Männern bei der pikierten Essayistin nicht etwa dazu führt, die hier vollkommen überflüssige Markierung „homosexuell“ wegzulassen. Andersherum: Klänge das nicht krass nach einem Homofundamentalisten: „Zwei inniglich küssende Heterosexuelle, die sich benehmen wie junge Hunde“?

Und so verstärkt der postreaktionäre Essay vor allem die im Mainstream weit verbreitete Annahme, die allgemeine Situation habe sich inzwischen so entspannt, dass endlich Klartext gesprochen werden kann. Von dieser Basis aus können gleichgeschlechtliche Liebesbezeugungen „neutral“ gewertet und „gleicher Hass für alle!“ gefordert werden – ohne lästiges Schuldgefühl. In dieser Atmosphäre besteht auch die Gefahr überflüssiger Pro-und-Contra-Diskussionen. Ergebnis: Ein Transsexueller wird unversehens – statt ihn selber zu befragen – als Freak, verstümmelte Frau und bizarres Resultat der Gender-Studies diffamiert; geschehen in der taz.

Wenn also bereits die „wertneutrale“ Beurteilung der Ästhetik gleichgeschlechtlicher Liebesspiele ihre Fallstricke hat, in der das Unterbewusstsein einer sich für restlos aufgeklärt haltenden Normativität randaliert, wie wäre es dann mit „Gay Cooking?“

Der Kosmos-Verlag, ansonsten eher bekannt für Nachschlagewerke über Pflanzen und Tiere, überrascht mit „Pink!“, das „schwule Kochbuch“. Ein perfekt in die Gesellschaft integriertes Paar aus Schweden reist durch die Welt, kocht international und stellt edel inszenierte Gerichte direkt neben lecker aussehenden Lesben- und Schwulenpärchen in die Landschaft. In Marrakesch locken Lammkeule und gutbestückte, verschwitzte Männer. Etwas finster schauen sie drein, wir sind schließlich im Orient. In Kapstadt lächeln Schwarz und Weiß einträchtig in knackiger Badehose. Gebeizter Adonis in Hummersauce. Am Hudson speisen zwei gutsituierte ältere Herren lächelnd im Landhaus: „Wie oft waren es die Schwulen, die es zuerst entdeckten, dann kamen die anderen.“ Die beste Freundin des bärtigen Paares beabsichtigt, nächstes Jahr Tibet zu durchwandern, zur Selbstfindung. Ungehemmt werden hier Stereotype des Schwulen als besserverdienender Avantgardist, Weltenbummler und partyfeiernder Ästhet bedient. Die schwule Küche ergänzt die Lebensphilosophie, die sich nun mitten im Herzen der Gesellschaft wähnt und zwischen Ibizza und Mykonos ihre Edelghettos konstruiert. Minna & Otto Normal dürfen gern zuschauen und nachkochen: Hier benimmt sich garantiert niemand wie ein junger Hund. WOLFGANG MÜLLER

Peter Norman: „Pink! Gay Cooking“. Kosmos, Stuttgart 2008, 256 Seiten, 210 Farbfotos, 39,90 Euro