Totschlag mit 15, gehenkt mit 18 Jahren

Im Iran werden immer mehr junge Männer hingerichtet, die zur Tatzeit minderjährig waren. Dies verstößt gegen internationale Konventionen, die die Regierung in Teheran unterzeichnet hat. Das Europaparlament hat diese Praxis scharf kritisiert

VON BAHMAN NIRUMAND

Im Iran steigt die Zahl von jungen Männern, die hingerichtet werden, weil sie als Jugendliche Straftaten begangen haben. Jüngster Fall war der 19-jährige Häftling Behnam Zare, der diese Woche in der Nähe der südiranischen Stadt Schiraz erhängt wurde. Er hatte vor vier Jahren im Streit einem Spielgefährten unbeabsichtigt mit einer Keule einen Schlag versetzt, der zum Tod des Gleichaltrigen führte. Danach wurde Behnam, der damals die erste Klasse der Oberschule besuchte, ins Gefängnis gesteckt.

Ein Gericht verurteilte den 15-Jährigen wegen vorsätzlichen Mordes zum Tode durch den Strang. Selbst wenn der Täter keinen Mord beabsichtigt habe, hätte er wissen müssen, dass ein Keulenschlag tödlich sein könne, begründete das Gericht die Höchststrafe.

Das Urteil konnte nicht vollstreckt werden, weil der Verurteilte noch minderjährig war. Ohne seine Eltern oder seinen Anwalt zu benachrichtigen, wurde Behnam Dienstag am frühen Morgen erhängt. Sein Anwalt, Mohammad Mostafai, erklärte, die Entscheidung habe ihn schockiert. Bei seinem letzten Besuch im Gefängnis habe ihn der junge Mann „mit unschuldigen, tränenvollen Augen“ angeschaut und gesagt, er könne sich nicht vorstellen, dass er den Spielkameraden tatsächlich getötet haben soll, sagte der Anwalt.

Ein Kind, für welches Verbrechen auch immer, zum Tode zu verurteilen, ist mittelalterliche Barbarei. Ihn auch noch so lange im Gefängnis zu behalten, bis er das erlaubte Mindestalter erreicht hat, um gehenkt zu werden, kann nur noch als sadistisch bezeichnet werden.

Behnam war nicht der erste junge Mann, der der Brutalität der iranischen Justiz zum Opfer fiel. Wie die Tageszeitung Etemad berichtete, wurde eine Woche zuvor der 20-jährige Reza Hejazi, der als Minderjähriger einen Mord begangen hatte, im Gefängnis von Isfahan erhängt. Er hatte als 15-Jähriger bei einer Prügelei einen anderen Jugendlichen erstochen.

Dem Bericht zufolge hatte Hejazis Anwalt um einen Aufschub gebeten, um durch eine finanzielle Einigung mit der Familie des Mordopfers die Hinrichtung zu verhindern. Die Behörden hätten dem Antrag zugestimmt. Doch vier Stunden später, nachdem der Anwalt das Gefängnis verlassen habe, sei der Verurteilte erhängt worden.

Einen Tag vor der Hinrichtung Hedjazis waren Todesurteile gegen weitere zwei Männer bekannt geworden, die zur Zeit der Tat minderjährig waren. Behnam Zare ist bislang der sechste Jugendliche, der in diesem Jahr hingerichtet wurde. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen befürchten zurzeit 132 Jugendliche in iranischen Gefängnissen, demnächst getötet zu werden.

Iran hat 1976 den UN-Zivilpakt und 1994 die Kinderrechtskonvention unterzeichnet und sich damit verpflichtet, keinen zum Tatzeitpunkt Minderjährigen hinzurichten. Das Europaparlament hatte im Juni die Hinrichtung Minderjähriger im Iran in einer Entschließung scharf verurteilt. Die Abgeordneten wiesen auch auf Berichte hin, nach denen mehr als hundert Häftlinge mit der Hinrichtung für Vergehen rechnen müssen, die sie als Minderjährige begangen haben.