Alles im Blick

Matthias Berg moderiert ab heute die Paralympics in Peking. Und sieht hochgerüstete Athleten, hohen Leistungsdruck, aber kaum Dopinggefahr

VON TORSTEN HASELBAUER

Wie funktioniert das eigentlich mit den Prothesen? Und wo liegt nun der Unterschied zwischen einem Rennrollstuhl und den Rollstühlen, die man normalerweise im Alltag sieht? Matthias Berg weiß sicher auch auf solche Fragen wieder eine Antwort. Von heute an und noch bis zum 17. September wird er bei den Paralympics im Pekinger ZDF-Studio sitzen, erklären, moderieren und Interviews führen.

Dauernd im Einsatz

„Wenn man so will, bin ich der Experte, und das bin ich auch gerne“, erklärt der 46-Jährige, der im Hauptberuf stellvertretender Landrat in Esslingen ist und sich für das Sportereignis extra Urlaub genommen hat. Zum Auftakt moderiert der contergangeschädigte Berg heute für das ZDF gemeinsam mit seinem nicht behinderten Kollegen Stefan Bier die Eröffnungsfeier der Paralympics in Peking.

Berg war selbst 14 Jahre lang ein überaus erfolgreicher Behindertensportler. Von 1980 bis 1994 gewann er bei diversen Weltmeisterschaften und den Paralympics insgesamt 27 Medaillen, 11 davon waren gold. Der Leichtathlet hält in seiner Behinderungsklasse („Personen mit Behinderungen an beiden Armen“) aktuell noch drei Weltrekorde: über 100 Meter, im Weit- und im Hochsprung. Auch im alpinen Skilauf war der sportliche Allrounder so gut, dass er an vier Winter-Paralympics teilnahm. Berg galt als echtes Ausnahmetalent. Er war einer der ganz wenigen behinderten Sportler in Deutschland, der sowohl zu den Sommer- wie Winterspielen anreiste – und mit Medaillen heimkehrte.

„Um bei den Paralympics als TV-Experte zu arbeiten, muss man nicht unbedingt selber behindert sein“, meint er. Dass es mitunter helfen kann, streitet Berg aber auch nicht ab. Seit dem Jahr 2000 und den Spielen von Sydney ist Matthias Berg für das ZDF im Einsatz, ob nun Sommer- oder Winterspiele. In diesen Jahren hat sich der Behindertensport rasant entwickelt. „Vor allem der technische Fortschritt ist schon gewaltig“, attestiert Berg. Im Behindertensport werden zunehmend High-Tech-Materialien eingesetzt. Die ersetzen zum Beispiel als sportgerechte Prothesen fehlende Gliedmaßen und schränken die Leistungsfähigkeit der behinderten Athleten kaum noch ein.

Diese zunehmende technische Hochrüstung und Selbstprofessionalisierung wirkt sich auf das Leistungsethos der behinderten Sportler aus: Es nähert sich immer mehr dem der nicht behinderten Athleten an. Berg weiß, dass diese Verschiebung nicht nur Positives mit sich bringt: „Natürlich kann ich Doping nicht ganz ausschließen. Und wir werden dieses Thema auch ansprechen. Aber Doping wird in Peking die absolute Ausnahme sein“, da ist er sich sicher. Bei den Paralympics sei schließlich bedeutend weniger Geld im Spiel, liefert Berg eine Begründung für seine optimistische Dopingprognose nach. Zudem schätzt Berg das Körper- und Gesundheitsbewusstsein der Paralympioniken bedeutend höher ein als das der nicht behinderten Athleten. „Die Sportler bei den Paralympics spüren mehr Verantwortlichkeit für ihren Restkörper“, wie er es ausdrückt.

Um sich auf seine Expertenrolle vorzubereiten, redet Berg viel mit Athleten und Trainern, gerade im Vorfeld der Paralympics. „Noch mehr als früher. Einfach, um nichts zu verpassen“, wie er sagt. Dass Berg sein Wissen für die Fernsehzuschauer ziemlich spannend aufbereitet und barrierefrei vermitteln kann, ließ so manchen Zuseher unverhofft zu einem echten Paralympics-Fan werden.

Lockeres Verhältnis

150 Mitarbeiter werden ARD und ZDF nach Peking senden, um von den Paralympics rund 100 Stunden lang zu berichten. Zum Vergleich: In Sydney waren es vor acht Jahren ganze 14 Stunden, die deutsche Fernsehzuschauer von den Paralympics zu sehen bekamen. Doch nicht nur der Umfang der Berichterstattung hat sich geändert. Auch der Umgang der Reporter mit den Athleten hat sich deutlich gewandelt. „Die Angst, etwas Falsches zu sagen, ist so gut wie weg“, so Berg. Das Verhältnis der Journalisten zu den behinderten Sportlern sei mit der Zeit deutlich lockerer geworden, das ist die Erfahrung des Teilzeitmoderators. „In Peking wird es eine unverkrampfte und packende Sportberichterstattung geben, ganz normal eben“, verspricht Berg.