Mühlhausen rettet die deutsche Sprache

Eine ostdeutsche Kleinstadt macht den „Back-Shop“ wieder zum „Backhaus“ und verbannt die Hotline, muss aber vor dem „City-Treff“ kapitulieren. Hier in Thüringen zeigen sich die Grenzen des deutschen Sprachbewachertums

DRESDEN taz ■ Im thüringischen Mühlhausen erinnern nicht nur die Fachwerkhäuser, sondern auch viele Geschäfte an eine Zeit, in der man sich für den Gebrauch der deutschen Sprache noch erwärmen konnte. Statt der grassierenden Shops, Points und Center werben Läden mit solch anachronistischen Muttersprachbegriffen wie „Bauladen“, „Spielstube“ oder „Frischehaus“. Das monatliche Bürgertelefon des Oberbürgermeisters Hans-Dieter Dörbaum nennt sich nicht Hotline, sondern „OB direkt“. Und die Amtssprache, sagt der Oberbürgermeister und ehemalige Lehrer, soll „immer auch vorbildlich für den Umgang mit unserer Muttersprache sein“.

Vor allem dem immer mehr um sich greifenden „Denglisch“ hat die Kreisstadt Mühlhausen den Kampf angesagt. Im Oktober 2005 trat sie als erste deutsche Kommune dem Verein deutsche Sprache (VDS) bei. Die Kontakte entwickelten sich über die in Mühlhausen ansässige Firma Intercordsa Technische Fäden GmbH, deren Geschäftsführer Walter Terschüren zugleich Schatzmeister des wirtschaftsnahen Sprachvereins ist. Der Vorsitzende der Sprachbewacher, der Ökonomieprofessor Walter Krämer, beispielsweise erwähnt bei jeder Gelegenheit, welche Milliardenverluste die Einführung des Englischen als Konzernsprache Daimler-Chrysler beschert hat.

„Wir wollten ein Signal setzen“, sagt die Stadtverwaltungs-Sprecherin und Kulturbeauftragte Angelika Bergmann. Vor zweieinhalb Jahren startete die Initiative der Stadt. Seitdem ist manches passiert. Im Vorjahr tagte gar die Mitgliederversammlung des Vereins Deutsche Sprache in der Mühlhausener Stadtbibliothek. Und drei Abiturientinnen des örtlichen Damaschke-Gymnasiums erstellten eine viel beachtete Seminarfacharbeit zum Verfall der deutschen Sprache. Darin bescheinigten sie ihren AltersgenossInnen zunehmende Kommunikationsunfähigkeit bei einer Flucht in Anglizismen.

Für die Stadtverwaltung bedeutete die sprachliche Selbstverpflichtung, entbehrliche Anglizismen zu vermeiden und sich zugleich um ein verständliches Deutsch im Amtsblatt, in Pressemitteilungen und Bescheiden zu bemühen. Kontrollieren müssen sich die Mitarbeiter aber selbst. Für ein Lektorat etwa gibt es keinerlei personelle Ressourcen.

Man wolle allerdings nicht in eine „Sprachreinigung“ im Stil der Nationalsozialisten im Dritten Reich verfallen, sagt Oberbürgermeister Dörbaum 2005. Auch dem Sprachpurismus eines Philipp von Zesen im 17. Jahrhundert werde man nicht nacheifern. Aus der Elektrizität ist keine „Blitzfeuererregung“ mehr zu machen, und auch die Mühlhäuser Stadtverwaltung kapituliert vor Internet-Begriffen wie Mail, Link oder Download. Sie stößt auch bei eingeführten Bezeichnungen überregionaler Firmen an Grenzen und kann nur über den lokalen Unternehmerstammtisch bei Gewerbe und Dienstleistungen sprachlich agitieren. So ist aus dem „Back-Shop“ zwar das „Backhaus“ geworden, das sich jedoch mit dem Untertitel „Der Backdiscounter“ wieder selbst persifliert. Und gegenüber vom „Frischehaus“ steht „The Phone House“. „Die Kette heißt nun einmal so“, meint ein Angestellter, „aber mich stinkt das Denglisch auch oft an.“ Ebenso unkorrigierbar scheint der „City-Treff“.

Enttäuscht ist Angelika Bergmann, dass die kleine „Gruppe deutsche Sprache“ im Kulturbund durch die Aktion nicht mehr Mitglieder gewonnen hat. Auch die städtische Tourist-Information hält die Sprachpflege nicht für ein hervorstechendes Merkmal, mit dem eine Werbung lohnte. Dabei sind inzwischen ein halbes Dutzend Städte in Ost und West dem Beispiel Mühlhausens gefolgt und dem Verein deutsche Sprache beigetreten.

MICHAEL BARTSCH