Wenn der Wind nicht weht

Lösungen sind gefragt, wie die Windenergie effektiv und vor allem in großem Stil gespeichert werden kann

Wenn Sturm von der Nordsee ins Land fegt, geraten tausende Windräder mächtig ins Kurbeln. Binnen Minuten schießt eine gewaltige Menge Strom ins Netz. Gelangt zu viel davon in die empfindlichen Netze, fahren Techniker herkömmliche Kraftwerke herunter, andernorts werfen sie Pumpspeicherkraftwerke an, und Betreiber drosseln ihre Windräder. Die Kraft des Windes wird nicht optimal genutzt, und viel Energie geht verloren. Denn Stromspeicher sind Mangelware und zudem wenig effektiv.

Stromversorger pumpen mit überschüssigem Strom Wassermassen in Stauseen. Bei Flaute öffnen sie die Schleusen, das Wasser schießt wieder herab, treibt Turbinen an und speist so den Strom zurück ins Netz. 70 Prozent der eingesetzten Energie bleibt dabei erhalten. Seit Jahren funktioniert diese schlichte Pumptechnik. Doch es gibt ein Problem: „Gerade im Flachland, wo der Wind kräftig bläst, steht meist kein hochgelegener See als Speicher zur Verfügung“, sagt Niels Ehlers vom Lehrstuhl Energiesysteme an der Technischen Universität Berlin. Alternativ könne man mit dem überschüssigen Strom auch Druckluft erzeugen und in unterirdischen Kavernen speichern. Mit dieser Druckluft wieder Strom zu gewinnen sei allerdings nicht effektiv, denn man erhalte nur weniger als die Hälfte des ursprünglich eingesetzten Stroms zurück.

Eine Lösung, wie die Energie effektiv und vor allem in großem Stil gespeichert und nach Bedarf wieder freigesetzt werden kann, scheinen Forscher an der Fachhochschule (FH) Lübeck gefunden zu haben: Windwasserstoff heißt das Zauberwort. Eine Demonstrationsanlage gibt es bereits auf dem Dach der FH.

„Wir versuchen, eine Art Großbatterie für Windräder zu bauen“, sagt Roland Hamelmann, Leiter des Projekts. Wenn der Wind kräftigt weht, produzieren die Windräder auf dem FH-Dach 10 Kilowatt Leistung. Zum Vergleich: Mit dem Wasserstoff, der am Ende herauskommt, kann eine Mercedes-A-Klasse 15.000 Kilometer fahren. So weit, so gut. „Jetzt geht es darum, mithilfe der Windkraftanlage die Technologie zu verbessern und Möglichkeiten zu finden, wie man das Wissen im Anlagenbau nutzen kann“, sagt Roland Hamelmann.

Wasserstoff ist ein sehr kompaktes Speichermedium und bietet die Möglichkeit, in Verbindung mit regenerativen Stromerzeugern fossile oder nukleare Kraftwerke zu ersetzen. Pro Kubikmeter kann er 100-mal mehr Energie speichern als das Wasser in einem Pumpspeicher, 30-mal mehr als Druckluft.

Auf dem Dach der FH in Lübeck funktioniert die Technologie zwar, bis zur Alltagstauglichkeit bedarf es aber noch weiterer Forschung. SVEN KULKA