Über Kochschürze gestolpert

In Thailand zwingt das Verfassungsgericht Premierminister Samak Sundaravej wegen eines Nebenjobs zum Rücktritt. Doch der 73-Jährige könnte bald wieder Regierungschef werden

AUS BANGKOK NICOLA GLASS

Mehrere bezahlte Gastauftritte als Fernsehkoch haben für Samak Sundaravej ein juristisches Nachspiel: Das Verfassungsgericht hat Thailands Premier kräftig die Suppe versalzen. Die neun Richter befanden einstimmig, dass sich Samak des Verfassungsbruchs schuldig gemacht habe. Denn Nebeneinkünfte sind Mitgliedern der Regierung verboten. Die Konsequenz: Samak und auch die Angehörigen seines Kabinetts müssen ihre Ämter, die sie erst vor acht Monaten angetreten hatten, niederlegen – und zwar innerhalb der kommenden 30 Tage. Offensichtlich aber verbietet der Gerichtsentscheid Samak nicht, sich einer Wiederwahl zu stellen.

Seine „People’s Power Party“ (PPP), stärkste Kraft innerhalb der regierenden Sechs-Parteien-Koalition, hatte in dieser Frage schon vor dem Urteil Position bezogen: Sie werde den Premier auch weiterhin unterstützen, egal wie das Gericht entscheiden werde. Das Urteil werde von der Koalition zwar respektiert, so der Vizevorsitzende Karn Thiankaew. Allerdings werde es als „zu technisch“ betrachtet. Wenn Samak seine Wiederwahl wünsche, werde die PPP sich für eine baldige Wahl einsetzen. Der Regierungschef selbst, der zuvor mehrfach einen Rücktritt abgelehnt hatte, äußerte sich zunächst nicht dazu.

Das Urteil macht den gegenwärtigen Machtkampf in Thailand nur noch bizarrer: Da wird Samak seit Ende Mai von der außerparlamentarischen Opposition der sogenannten Volksallianz für Demokratie (PAD) unter Druck gesetzt, seinen Hut zu nehmen. Die Anführer ließen den Regierungspalast besetzen und bezichtigen Samak in zunehmend schärferen Worten, er sei korrupt und lediglich eine Marionette des 2006 vom Militär gestürzten Expremiers Thaksin Shinawatra. Es folgten Straßenschlachten, worauf Samak den Ausnahmezustand verhängte, den Militär und Polizei aber nicht durchsetzten. Und inmitten all der Turbulenzen wird dem bulligen Regierungschef ein vergleichsweise nichtiger Anlass wie eine Kochschürze zum Verhängnis.

Kochen ist die große Leidenschaft des 73-jährigen Feinschmeckers. Jahrelang hatte Samak seine eigene Kochshow im thailändischen Fernsehen – der Titel lautete „Probieren und Meckern“. Die Show war nach dem Militärputsch 2006 abgesetzt worden. Nachdem Samak Regierungschef wurde, kündigte er an, er wolle zugleich auch seine Karriere als Fernsehkoch wiederaufnehmen. Das aber stieß der Opposition auf. Mehrere Senatoren reichten Beschwerde bei Gericht ein. Samak focht das juristische Gerangel zunächst nicht an: „Ich habe das gemacht, weil es mir Spaß macht“, sagte er am Montag dem Gericht. Er habe auf freier Basis gearbeitet, nicht als Angestellter. Allerdings musste er einräumen, dass er Geld bekommen hatte. Dafür habe er Zutaten gekauft und seinem Fahrer das Benzin bezahlt.

Tausende Mitglieder der selbsternannten Volksallianz für Demokratie, die nach wie vor das Gelände des Regierungspalastes besetzen, brachen nach der Urteilsverkündung in Jubel und Freudentränen aus. Allerdings dürfte der Beifall bald verebben, sollte Samak tatsächlich wiedergewählt werden. Fest steht: Die PAD wird nicht eher Ruhe geben, bis die ganze jetzige Regierung politisch von der Bildfläche verschwindet. Um ihre Ziele zu erreichen, würden die Anführer der „Volksallianz“ auch einen neuen Militärcoup provozieren, hieß es in Bangkok.

Angesichts der Ereignisse der vergangenen Wochen fragen sich viele Thais, wie viel Macht die Samak-Regierung überhaupt hat. Als der Premier vergangene Woche den Ausnahmezustand ausgerufen hatte, weigerte sich der als moderat geltende Armeechef Anupong Paochinda, diesen umzusetzen. Er erklärte, das Militär werde den Regierungssitz nicht räumen lassen – schon gar nicht mit Gewalt. Auch einen Putsch schließt der Armeechef aus. Doch das Militär ist längst gespalten: Im Gegensatz zu Anupong drohte ein Chefberater der Streitkräfte mit einem weiteren Staatsstreich, falls sich die Turbulenzen nicht politisch lösen ließen.

Ob sich Samak zur Wiederwahl stellt, ist abzuwarten. Mitglieder einer kleinen Koalitionspartei begehren schon auf: Sie könnten keinen erneut zum Premier wählen, der wegen Verfassungsbruchs verurteilt worden sei. Die PPP berief für Mittwoch eine Dringlichkeitssitzung ein.

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