Nachruf

Am 4. September 2008 ist der Friedens- und Konfliktforscher Dan Bar-on an den Folgen einer Krebserkrankung in Tel-Aviv verstorben. Bar-on, Sohn deutscher Juden, die vor den Nazis nach Israel flohen, wurde 1938 in Haifa geboren. Er lehrte bis 2007 Psychologie an der Ben-Gurion-Universität in Beerscheba in Israel. Weltweite Anerkennung erfuhr seine bahnbrechende Dialogarbeit mit direkten Nachkommen der Nazitäter und Überlebender des Holocaust, die er erstmalig in gemeinsamen Gesprächsgruppen zusammenbrachte. Bar-on vertraute dem Grundprinzip des Storytelling als wirksamster Methode zwischen Menschen, deren Lebensgeschichte keinerlei Aussöhnung zuzulassen scheint. Die Geschichte von Krieg und Verfolgung schreibt sich in Geist, Seele und Körper jedes einzelnen Menschen unwiderruflich ein. Letztlich kann nur die geduldige und schmerzhafte zwischenmenschliche Ebene des Erzählens eine tragfähige Kultur des Friedens befördern. Dies war die Grundüberzeugung des selbstkritischen Traumaforschers und Therapeuten Dan Bar-on. Mit dem palästinensischen Soziologen Sami Adwan gründete Dan Bar-on 1998 das Peace Research Institute in the Middle East (Prime) mit Sitz in Beit Dschalah. In seinem Werk „Erzähl dein Leben! Meine Wege zur Dialogarbeit und politischen Verständigung“ wirft Bar-on selbstkritische Blicke in erfolgreiche und gescheiterte Dialogprozesse. Sein theoretisches Hauptwerk, an dem er fünfzehn Jahre lang schrieb, wurde leider bis heute nicht ins Deutsche übersetzt. Das Buch ist 1999 bei der Central European University Press in Budapest erschienen: „The Indescribable and the Undiscussable. Reconstructing Human Discourse after Trauma“. GABY SOHL