Fair Trade trifft auf Kommune

Die Agenda 21 hilft Akteuren des fairen Handels, sich auf kommunaler Ebene zu etablieren: im Rahmen des lokalen Nachhaltigkeits-Prozesses. Doch die Zahl der städtischen Aktivitäten ist hierzulande bislang gering

Die Agenda 21 ist ein entwicklungs- und umweltpolitisches Aktionsprogramm, das 172 Staaten auf der „Konferenz für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen“ (Unced) in Rio de Janeiro im Jahr 1992 beschlossen haben.In Deutschland besteht derzeit in mehr als 2.600 Kommunen ein Beschluss zur Erarbeitung einer Lokalen Agenda 21. Das heißt, dass sich eine Kommune in Richtung Nachhaltigkeit entwickeln soll.Zum ersten Mal können sich in diesem Jahr Städte um den Titel Fairtrade-Town bewerben. Dazu müssen sie nachweisen, dass in ihrer Stadt Fair-Trade-Produkte gehandelt und konsumiert werden. SK

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VON SVEN KULKA

Was hat der faire Handel mit der lokalen Agenda 21 zu tun? Sehr viel, denn das weltweite entwicklungs- und umweltpolitische Aktionsprogramm hilft dem fairen Handel, sich auf kommunaler Ebene zu etablieren. Zudem eröffnet der Agenda-Prozess vielen Produzenten in Entwicklungsländern einen Ausweg aus der wirtschaftlichen Krise, und dabei geht es um mehr als nur um das Thema Umwelt.

„Die lokale Agenda 21 bedeutet nachhaltig zu handeln sowohl im Sinne der Umwelt als auch im kulturellen, sozialen und ökonomischen Bereich“, sagt Jens Bolze. Bolze ist Leiter des Agendabüros in Darmstadt, das diesen Prozess auf lokaler Ebene vorantreibt. Für die Stadt Darmstadt ist es mittlerweile selbstverständlich, zukunftsfähige Produkte und Verfahren zu fördern sowie fair und nachhaltig zu handeln. „Dabei trägt nicht nur die Verwaltung der Stadt Verantwortung für die lokale sowie globale Entwicklung, sondern als Konsument jeder einzelne Bürger“, sagt Bolze. Um allerdings verantwortungsvoll konsumieren zu können, seien ausreichend Informationen und ein vorhandenes Angebot nachhaltiger Produkte Voraussetzung.

Als 1992 der Agenda-Prozess in Rio de Janeiro begann, waren die Ziele hoch gesteckt. Schnell sollten die Staaten den Nachhaltigkeitsgedanken in die Praxis umsetzen. Ländern wie Schweden oder Großbritannien gelang dies auch. In Deutschland hingegen dauerte es lange. Bis heute gibt es hierzulande viele Städte, deren Engagement eher mager ist. Als Grund werden oft die chronisch leeren Kassen von den Kommunen genannt, aber auch, dass man bereits anderweitig Projekte im Bereich der Nachhaltigkeit betreibe.

In Darmstadt fand der Agenda-Prozess mit Abgabe und Annahme des Agenda-21-Dokumentes kein jähes Ende. Politik und Verwaltung nehmen hier das Thema ernst und handeln im Rahmen der zur Verfügung stehenden Ressourcen nachhaltig – mit Erfolg: „Ohne den Agenda-21-Prozess gäbe es bei uns vieles nicht oder nicht in dieser Qualität“, sagt Bolze. Damit meint er beispielsweise den Bauernmarkt, einen Einkaufsführer, das Car-Sharing in der öffentlichen Verwaltung, genügend BürgerInnen-Büros, private wie institutionelle Blockheizkraftwerke oder Ernährungsberatungen in Schulen.

All diese Aktivitäten begleitet das Agenda-Büro als Drehscheibe, Wächter und Entwickler für Projekte und Aktionen und die Umsetzung des lokalen Programms ist. Als eines der ersten Agenda-21-Ergebnisse hat Darmstadt gemeinsam mit dem Weltladen vor Ort ein faires Produkt geschaffen – den fairen Biokaffee Mathilda. Er wächst nicht, wie der Name vermuten lässt, auf der Darmstädter Mathildenhöhe. Er stammt vielmehr aus Nicaragua und garantiert eine besondere Qualität: ökologisch angebaut, unter menschenwürdigen Arbeitsbedingungen produziert und fair gehandelt. Damit steckt in „café mathilda“, das erste Agenda-21-Produkt in Darmstadt das, was die Konferenz für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio mit ihrem „Aktionsplan für das 21. Jahrhundert“ forderte: Soziales, Ökologie und Ökonomie gleichrangig zu berücksichtigen.

Der Agenda-Kaffee ist eine sinnliche Form, den fairen Handel mit dem lokalen Agenda-21-Prozess einer Stadt zu verbinden. Seit 2006 hat auch die Stadt Leipzig ihren eigenen Agenda-Kaffee. Eine Initiative vom Verein Eine Welt organisierte, dass ein spezieller Leipziger Kaffee mit Bio- und Fair-Trade-Zertifikat auf den lokalen Markt kommt. Den Leipziger Agenda-Kaffee produzieren Bauern der Oromia Coffee Farmers Cooperative Union, eines Zusammenschlusses von 35 Mitgliedskooperativen in Zentral- und Südäthiopien.

In Darmstadt geht der Nachhaltigkeitsgedanke noch weiter. Wenn die Stadt Sportbälle oder Pflastersteine einkauft, achtet sie darauf, dass nicht Kinder in den Entwicklungsländern diese herstellen; wenn sie Holz einkauft, verzichtet sie auf Tropenholz; und jüngst hat die Stadt beschlossen, zukünftig im städtischen Fuhrpark nur noch solche biogenen Treibstoffe einzusetzen, die nachweislich aus europäischem Anbau stammen und nicht in Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion oder durch Rodung des tropischen Regenwaldes erzeugt wurden.

Das Motto der lokalen Agenda 21 in Darmstadt: keinen Schaden für andere ausgehen zu lassen, Armut bekämpfen und das UN-Millenniumsziel erreichen. Kleinstkredite sind beispielsweise eine gute Möglichkeit, Menschen in den sogenannten Dritte-Welt-Ländern zu helfen. Die Stadt Darmstadt hat sich daher auch hier engagiert und bei einem geeigneten Kooperationspartner Geld zur Gewährung von Mikrokrediten bereitgestellt.

Für die Zukunft wünscht sich Bolze wie viele seiner Mitstreiter in anderen Städten etwas mehr Offenheit und Interesse seitens der Bevölkerung sowie mehr Akzeptanz von Entscheidungsträgern gegenüber den Leitgedanken der Agenda 21: „Nachhaltigkeit ist kein Randthema von Politik spielenden Bürgern, sondern Basis eines ausgewogenen menschlichen Miteinanders in allen Lebensbereichen.“