Dicke Luft für Tirol

Europäische Union regelt Alpentransit in Österreich neu: Noch mehr Lastwagenverkehr im Anrollen. „Saubere“ Lkws dürfen ohne Beschränkung fahren. Neue Protestblockaden erwartet

BRÜSSEL/WIEN taz ■ Gegen Widerstände aus Österreich haben sich die EU-Verkehrsminister an Silvester auf neue Regeln für den Lkw-Verkehr über die österreichischen Alpen verständigt. Als ausgewogenen Kompromiss zwischen den Bedürfnissen des empfindlichen Ökosystems und dem freien Warenverkehr bezeichnete der dänische Verkehrsminister Flemming Hansen das Ergebnis des Verkehrsministerrats in Brüssel. Für die betroffenen Anwohner der Transitstrecken in Österreich, die seit Monaten für bessere Umweltbedingungen demonstrieren, dürfte das wie Hohn klingen. Denn von 2004 an werden wohl noch mehr Laster als bisher über die Alpen donnern.

Obwohl die Staats- und Regierungschefs beim Gipfel in Laeken 2001 versprochen hatten, das seit 1995 geltende österreichische Ökopunkte-System auch in Zukunft weiterzuführen, gilt nun ab 2004 eine neue Regelung. Danach ist nur noch der Schadstoffausstoß ausschlaggebend dafür, wie viele Fahrten durch den Alpenraum pro Jahr erlaubt sind. Neu entwickelte Lastwagen der Schadstoffklasse Euro 4 werden in der Ökobilanz gar nicht mehr angerechnet und dürfen dementsprechend ohne jede Beschränkung unterwegs sein.

Die EU-Kommission soll immerhin bis Mitte dieses Jahres einen Entwurf für eine europäische Wegekosten-Richtlinie vorlegen. Sie soll die zulässigen Mautgebühren europaweit danach regeln, welche Umweltkosten entstehen. So bleibt für Österreich die Hoffnung, dass es die Mautgebühren künftig so hoch festsetzen kann, dass das empfindliche Ökosystem in den Alpen besser geschützt wird. Angesichts des in der EU üblichen Interessengeschachers rechnet aber niemand damit, dass die neue Richtlinie vor dem 1. Januar 2007 in Kraft tritt.

Österreichs Regierung steht jetzt unter Zugzwang, dem dänischen Kompromiss zum Alpentransit eine Alternative entgegenzusetzen. Während die FPÖ immer wieder verkündet hat, sie wolle die EU-Erweiterung mit der Transitfrage verknüpfen und schlimmstenfalls aufhalten, betrachtet Bundeskanzler Wolfgang Schüssel die Europapolitik als Kernstück seiner Regierungspläne. Schüssel kann es sich weder leisten, das Jahrhundertprojekt der EU-Erweiterung aufzuhalten, noch seine Parteifreunde in Tirol und Salzburg im Regen stehen zu lassen. Weitere Blockaden der Brenner-Transitstrecke noch vor der entscheidenden Erweiterungsrunde im April sind zu erwarten. D. WEINGÄRTNER,
R. LEONHARD

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