Kommunikation mit Fingerspitzengefühl

Vor 194 Jahren wurde Louis Braille, der Erfinder der Blindenschrift, geboren. Heute ist sie international anerkannt

Sie lernen Französisch oder Russisch, studieren Jura oder Germanistik, arbeiten als Verwaltungsangestellte oder Stenotypisten. Sie sind blind und nehmen ihr Leben selbst in die Hand: Sie lesen mit den Fingern. Die Brailleschrift macht’s möglich. 1825 entwickelte der Franzose Louis Braille aus der Kombination von lediglich sechs Punkten ein System, mit dem sich nicht nur das gesamte Alphabet darstellen lässt, sondern auch Zahlen, Noten und Stenografie. Sein Geburtstag wird seit 2001 als Welt-Braille-Tag gefeiert. Die 64 Zeichen seiner Schrift werden als leichte Erhebungen für den Finger lesbar ins Papier gepresst und funktionieren für die unterschiedlichsten Sprachen.

Einfach und genial: Die Brailleschrift revolutionierte die Blindenwelt und wurde offiziell zur internationalen Methode für den Unterricht in Blindenschulen erklärt. Rund 50 Millionen Blinde gibt es weltweit, etwa 155.000 in Deutschland. „Jedoch lediglich ein Fünftel der blinden Deutschen beherrscht die Brailleschrift“, sagt Jürgen Lubnau, Präsident des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes. Blindheit sei in Deutschland vor allem ein Altersphänomen, rund drei Viertel der Blinden seien älter als 60 Jahre. „Viele ältere Leute wollen das gar nicht mehr lernen, und ihre Angehörigen sind oft der Meinung, dass sie das für die letzten Lebensjahre nicht mehr brauchen“, bedauert Lubnau.

Die Geburts- oder Früherblindeten lernten es hingegen fast alle. „Als junger Mensch kommt man um Braille nicht herum, wenn man etwas lernen oder arbeiten will. Aber auch wenn man schon älter ist, erhält einem die Blindenschrift die Selbstständigkeit. Man kann sich zumindest mal ohne fremde Hilfe eine Notiz machen“, meint Lubnau. Seit Jahrzehnten setzt er sich dafür ein, dass Braille in Schulen oder an speziellen Instituten gelehrt wird. BIANCA KOPSCH