REPRODUKTIVES KLONEN IST VOM THERAPEUTISCHEN NICHT ZU TRENNEN
: Moralische Schieflage

Ein Kind wurde uns geboren. Ob es ein geklontes ist, wissen wir auch eine Woche nach der Geburt von Baby Eve nicht. Spielt das wirklich eine Rolle? Jeder Experte hält das Duplizieren von Menschen prinzipiell für möglich, unabhängig davon, ob es nun gerade der UFO-gläubigen Clonaid-Chefin gelungen ist oder nicht. Natürlich war die Präsentation der Nachricht hollywoodreif und der vorläufige Höhepunkt im Wettlauf um den geklonten Menschen. Doch die Zweifel an Eves Echtheit führen in die Irre. Sie verdecken allenfalls notdürftig, wie sich Politik und Wissenschaftsorganisationen mit ihren Entscheidungen zur Stammzellforschung und der halbherzigen Genehmigung des verharmlosend als „therapeutisch“ bezeichneten Klonens in ein moralisches Dilemma manövriert haben.

Zum einen erscheinen unserer Wertmaßstäbe hilflos angesichts des monströsen Eingriffs: Zwar ist der vielleicht letzte Tabubruch der Medizin leicht als verwerflich zu brandmarken – doch das Ergebnis der ungeheuerlichen Tat ist ein angeblich gesundes und sicherlich süßes Baby. Zwar gibt es genügend Gründe gegen das Menschenklonen, seien es zu erwartende Fehlgeburten und Missbildungen oder die Fremdbestimmung des Lebens durch selbst ernannte Schöpfer. Doch die Macht der Gewohnheit hat schon häufiger die Oberhand behalten. Schon ist für diese Tage die Geburt des nächsten Klonbabys angekündigt, weitere kopierte Menschen wurden für die nächsten Monate in Aussicht gestellt. Haben wir uns nicht auch an Klontiere und Retortenbabys schnell gewöhnt?

Das ist ja wohl etwas anderes? Natürlich. Doch die ethischen Fallstricke sind nicht zu unterschätzen. Mit welchen Argumenten will man das reproduktive Klonen verbieten, wenn das therapeutische erlaubt ist? Das menschliche Erbgut wird bei beiden Verfahren angetastet, die Würde des Embryos auch. Ein bisschen Klonen geht eben schlecht – auch wenn die eine Variante gern als lukrative Forschungsrichtung und die andere als ruchlose Tat ausgemalt wird. Am 6. November 2002 lag eine von Spanien, den USA und 30 weiteren Ländern unterstützte UN-Resolution zur Ächtung beider Formen des Klonens vor. Deutschland, Großbritannien und Frankreich befürworteten den Antrag nicht, weil sie das therapeutische Klonen weiter gefördert sehen wollten. Jetzt fordern Bundesregierung und Nationaler Ethikrat ein Verbot des reproduktiven Klonens. Selten war das strapazierte Schlagwort von der „Schieflage“ zutreffender. WERNER BARTENS

Der Autor ist Arzt und Redakteur der Badischen Zeitung