Machthaber fühlen sich sicher

Wirtschaftlich ist vor allem Nordkoreas Bevölkerung auf Hilfe von außen angewiesen

TOKIO taz ■ Die Stärkung der Armee wird im Mittelpunkt aller nationalen Anstrengungen im Jahr 2003 stehen. Das haben die nordkoreanischen Generäle zum Jahreswechsel angekündigt. Schließlich ist die Armee Dreh- und Angelpunkt für die 22 Millionen Einwohner. Das gilt auch für die Wirtschaft des Landes, die nach dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes einen steilen Niedergang erlebte. Erst ab 1999 begann sich die wirtschaftliche Situation dank besserer Handelsbeziehungen mit Südkorea zu stabilisieren.

Jeder dritte Nordkoreaner arbeitet in der Landwirtschaft, die rund 30 Prozent zum jährlichen Bruttoinlandprodukt von 21 Milliarden Euro im Jahre 2001 beigetragen hat. Die Bedeutung der Landwirtschaft steigt seit den 90er-Jahren, weil Industriebetriebe wegen permanentem Energiemangel geschlossen werden mussten. Nur für die Rüstungsindustrie vitale Betriebe und Werke für die Lebensmittelproduktion nahe der Hauptstadt Pjöngjang laufen noch.

2001 trug der verarbeitende Sektor rund 40 Prozent zur Gesamtwirtschaft bei, die dank besserer Handelsbeziehungen mit dem Süden um 3,7 Prozent wuchs. Würden allerdings die Hilfslieferungen internationaler Organisationen und der Volksrepublik China, mit denen rund ein Viertel der Bevölkerung ernährt wird, abgezogen, wäre das Wachstum weiter im Minus.

Mehr als die Hälfte der Industrieproduktion ist für militärische Zwecke bestimmt. In militärisch-industriellen Komplexen werden die begehrtesten Exportprodukte Nordkoreas – Kurz- und Mittelstrecken-Raketen sowie leichte Waffen und Munition – hergestellt. Der Export militärischer Güter bringt dem Land jährlich etwa 507 Millionen Euro Extraeinnahmen, die nicht in der offiziellen Handelsbilanz ausgewiesen werden. Im Jahre 2001 betrug das Handelsvolumen Nordkoreas gerade mal 2,25 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Der Süden setzte im selben Zeitraum Güter im Wert von 290 Milliarden Euro um.

Anekdotische Berichte und Untersuchungen der japanischen und taiwanesischen Polizei deuten darauf hin, dass Nordkorea mit Drogenhandel und dem Umlauf von gefälschten US-Dollars nochmals einige zehn Millionen einnimmt, die in keiner Handelsbilanz auftauchen und wahrscheinlich in den obersten Schichten der Macht um Kim Jong Il direkt verteilt werden. Die von Washington geforderten wirtschaftlichen Sanktionen dürften deshalb kaum Einfluss auf den Lebenstil der Machthaber in Pjöngjang haben, dafür aber das Schicksal der ohnehin hungernden Bevölkerung dramatisch verschlimmern.

Die seit dem Sommer eingeleiteten Reformen in der nordkoreanischen Wirtschaft haben die Not in der Bevölkerung nicht gelindert, sondern eher noch verschärft. Langfristige Projekte mit dem Süden, wie Bahn- und Straßenverbindungen und der Aufbau von speziellen Wirtschaftszonen und Industrieparks, werden erst in vier bis fünf Jahren erste Früchte tragen. ANDRÉ KUNZ