BERLINER LEHRER SOLLEN BIS ZU VIER STUNDEN LÄNGER ARBEITEN
: Alles ist drin – außer mehr Geld

Ab heute müssen Beamte in Berlin zwei Stunden länger arbeiten. Betroffen sind vor allem Polizisten und Lehrer – die Pädagogen müssen sogar bis zu vier Stunden länger unterrichten, damit die Landesregierung Neueinstellungen erspart. Ein Streich aus dem verrückten Berlin? Schon, aber dieser Wahnsinn könnte bald in ganz Deutschland Methode werden. Blitzschnell ist Berlin noch aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten, um einem Tarifabschluss für seine Arbeiter und Angestellten zuvorzukommen. Die Steuereinnahmen der Hauptstadt reichen schon jetzt nicht einmal zur Deckung ihrer Personalkosten aus. Setzt Ver.di sich mit einer deutlichen Lohnerhöhung für den öffentlichen Dienst durch, werden noch mehr Gemeinwesen Finanzprobleme in einer solchen Dimension bekommen.

Ver.di argumentiert, die Bundesregierung habe diesen Zustand mit ihrer Steuerreform erst verursacht. Aber auch die war ein – fehlgeschlagener – Versuch, langfristig mehr einzunehmen. Steuerreform hin, Millionärssteuer her: Die Vorstellung, der Staat könnte seine Probleme über mehr Einnahmen in den Griff bekommen, ist eine Illusion.

Rückbau steht an, vor allem beim Apparat und seinem Personal. Nach dem klassischen Modell der Rationalisierung arbeiten immer weniger Leute immer mehr. Darauf läuft es im Moment hinaus, denn die Kommunen und Länder können gar nicht anders, als jede Lohnerhöhung über längere Arbeitszeiten und weniger Neueinstellungen zu kompensieren.

Wie aber wäre es, wenn man eine Rationalisierung mit menschlichem Antlitz wagte? Gewerkschaften, die Lohnverzicht anbieten, können den klammen Landesregierungen alles abverlangen: Arbeitszeitverkürzung, Neueinstellungen junger Lehrer, Absenkung der Klassenstärken. Sogar Umverteilung von Reichtum: Vor allem die gut und sehr gut verdienenden Beamten und Studienräte sollen abgeben. Die Situation scheint schwieriger als je zuvor, aber sie bietet Chancen, wenn man aus der alten Wachstumslogik aussteigt: Im Moment ist alles drin – außer mehr Geld. ROBIN ALEXANDER