Dramatischer Wechsel der Tier- und Pflanzenarten

Eine europaweite Inventur der eingeschleppten Pflanzenarten zeigt, dass im Durchschnitt sechs fremde Arten pro Jahr einwandern

Die Anzahl eingeschleppter Pflanzenarten hat sich in den letzten 25 Jahren verdreifacht. Das geht aus einer Studie hervor, die Wissenschaftler diese Woche auf dem internationalen Ökologiekongress „Eureco-Gfoe 2008“ in Leipzig vorgestellt haben. Im Rahmen eines EU-Projektes wurden erstmals in einer europaweiten Inventur alle gebietsfremden Pflanzen- und Tierarten erfasst. 5.789 Pflanzenarten sind gebietsfremd. Laut Studie, die im Fachmagazin Preslia veröffentlicht wurde, sind von diesen Pflanzenarten etwa die Hälfte, exakt 2.843, außereuropäischen Ursprungs. Pro Jahr, so schreibt das aus 28 Wissenschaftlern bestehende Autorenteam, kämen sechs neue Arten hinzu.

Der Artenwechsel geht immer schneller. Es kommen nicht nur neue Arten hinzu. Durch den Klimawandel werden auch viele ausgelöscht. Nach Einschätzung der Experten werden in Deutschland aufgrund eines Temperaturanstiegs um zwei Grad Celsius bis zu 30 Prozent der derzeit heimischen Tier- und Pflanzenarten verschwinden.

„Dafür werden andere Arten zuwandern“, sagte Helge Bruelheide von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zum Auftakt der Ökologie-Tagung. Neue Arten könnten Ökosysteme jedoch derart aus dem Gleichgewicht bringen, dass die biologische Vielfalt gefährdet ist, erklärte der Wissenschaftler. Zudem stelle sich die Frage, wie viele Arten ein Ökosystem verlieren könne, ohne zusammenzubrechen.

Martin Schlegel von der Universität Leipzig machte deutlich, dass der Klimawandel bereits zu deutlichen Veränderungen in der Natur geführt habe. So seien in Sachsen neben den dort schon lange heimischen Reiherarten zunehmend auch Silberreiher zu beobachten, die größer als ihre Artgenossen seien. Einige Vogelarten würden im Winter nicht mehr den Zug nach Süden antreten, sondern überwinterten hierzulande. Und schließlich trete mit dem Dornfinger erstmals eine Spinnenart in Leipzig auf, die dem Menschen schmerzhafte Bisse zufügen kann und die früher nur in wesentlich wärmeren Gegenden zu finden war.

Der Präsident der Gesellschaft für Ökologie, Volkmar Wolters, forderte ein Umdenken im Naturschutz. „Wir müssen weg vom reinen Schutz der ‚Roten Arten‘, und der Naturschutz darf nicht länger in den Behörden so nebenbei gemacht werden“, sagte Wolters, dessen Gesellschaft Institutionen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz präsentiert.

Wolters nutzte die Gelegenheit auch, um auf die mangelhaften Arbeitsbedingungen für Ökologen hinzuweisen. In Hessen zum Beispiel wanderten 70 Prozent des wissenschaftlichen Nachwuchses aus der Ökologie ins Ausland ab, sagte Wolters. Diesen jungen Wissenschaftlern müsse hierzulande eine Perspektive geboten werden. DPA, WLF