NEBENSACHEN AUS BENIN
: Mit Voodoo gegen das merkwürdige Verschwinden der Fische

Meine Sicht auf den Atlantik, auf die Bucht von Benin, ist eigentlich ungehindert. Ein paar Palmen hier und da. Und zwei Strandhütten. Die Nachbarn links, rechts und hinter mir stören auch nicht. Anders die kleine Betonbutze schräg gegenüber, genau dort, wo die Grasnarbe sich im Sand des Strands verliert. Hier wohnt der einzige Nachbar, den ich noch nie gesehen habe. Ich kenne nicht einmal seinen Namen. Ich könnte auch nicht einfach bei ihm mit der Tür ins Haus fallen. Denn seine Tür ist immer verriegelt, kurioserweise von außen, und wird nur von Weihepriestern geöffnet. Denn dieser Nachbar ist ein Fetisch, einer der vielen Voodoo-Götter.

Vor kurzem hörte ich mal wieder von ihm. Schon seit einiger Zeit kommen die örtlichen Fischer mit nur wenig Beute von ihren Fahrten. Besorgt fragt sich der Ort, was los ist mit dem Meer, warum es keine Fische mehr hergibt. Die BBC berichtete über eine Debatte, die sich genau darum drehte: warum die Fischbestände in Westafrika so stark schrumpfen. Die einen sagen, weil Industriefischtrawler aus Europa und Asien den Kleinfischern wenig lassen. Die anderen, vor allem Japaner, sagen, es sein die Wale, die zu viele Fische fressen und so den Menschen Konkurrenz machen. Tierschützer werfen den Japanern vor, sich mit dieser Argumentation nur die Unterstützung der Länder Westafrikas für die Wiedereinführung des Walfangs sichern wollen.

Die Menschen in meinem Ort interessierte diese Debatte herzlich wenig. Sie erklärten sich das Problem des Fischmangels anders und machten sich an die Arbeit – mit Hilfe meines Nachbarn, dem Fetisch. Benin war vor gut zwölf Jahren das erste Land Afrikas, das eine traditionelle Religion offiziell anerkannte. Seither wird jedes Jahr am 10. Januar der Vodoo-Tag in Benin gefeiert. Die Bevölkerung steht voll dahinter. Rund ein Drittel gibt an, der traditionellen Religion zu folgen, ein Viertel sieht sich als Christen und gut ein Zehntel als Muslime. Die Mehrheit hinter sich wissend, vollzogen meine Nachbarn das Voodoo-Ritual. Sie hüllten ein Rind und mehrere Ziegen in weißes Leinentuch, das Rind bekam zudem noch Ohrringe. Dann wurden die Tiere auf die Kanus der Fischer gehievt, aufs Meer hinaus gebracht und dort versenkt. Das Meer brauche etwas zu Essen, damit es wieder Fische geben könne, erklärte mir eine Nachbarin. Während der Zeit des Rituals dürfe nicht gefischt werden, was mich weniger interessiert, weil ich keinen Fisch esse und dessen Fehlen mich daher nicht betrifft. Eher schon interessierte es mich, dass man für zwei Wochen lang nicht im Meer baden sollte. Mein Verhältnis zum Voodoo ist eigentlich ein sehr praktisches: Die haben ihre Welt und ich meine. Und auf ein Bad verzichten wollte ich nicht. Aber an diesem Tag bin ich nicht tief ins Wasser gegangen. Ganz sicher bin ich mir mit der Voodoo-Sache nicht. Warum auch in dem hier mündenden Fluss keine Fische mehr zu fangen sind, kann ich mir nicht erklären. Denn dort sind weder Fischtrawler noch Wale unterwegs. HAKEEM JIMO