Irakkrieg spaltet Tony Blair

Großbritanniens regierende Labour-Partei ist sich nicht einig, ob das Land sich an einem US-geführten Krieg beteiligen sollte. Die Kriegsmarine ist schon unterwegs

BERLIN taz ■ Als am Samstag das größte britische Kriegsschiff „Ark Royal“ den südenglischen Hafen Portsmouth Richtung Irak verließ, hing ein Hauch von Falklandkrieg in der Luft. Wie damals, 1982, säumten tausende Fähnchen schwingende Zuschauer die Mole, während Großbritannien sein mit 15 Schiffen größtes Kriegsgeschwader seit dem siegreichen Feldzug gegen Argentinien auf See schickte. Aber je unvermeidlicher der britischen Öffentlichkeit die Beteiligung ihres Landes an einem US-geführten Krieg gegen Saddam Hussein erscheint, desto mehr Unmut regt sich. Tony Blair kann nicht, wie ihrerzeit Margaret Thatcher, auf einer Welle des Patriotismus reiten.

Vielmehr droht der wachsende Zwist über einen Irakkrieg die regierende Labour-Partei zu spalten. Nicht nur Entwicklungshilfeministerin Clare Short vom linken Parteiflügel spricht sich immer klarer gegen einen Militärschlag ohne UN-Mandat aus – zuletzt am Wochenende, als sie sagte: „Das britische Volk ist verpflichtet, unser Land auf UN-Kurs zu halten und die USA daran zu hindern, zu früh in den Krieg zu ziehen.“ Nach einer Umfrage des Sunday Telegraph sind auch 89 Prozent aller Labour-Ortsgruppenvorsitzenden gegen eine britische Beteiligung an einem Irakkrieg ohne zweite UN-Resolution, und 69 Prozent rechnen für diesen Fall mit Massenaustritten aus der Partei. Da Labours Mitgliedschaft ohnehin seit der Regierungsübernahme 1997 von 405.000 auf den historischen Tiefstand von 270.000 gesunken ist, kann die Partei sich das finanziell nicht leisten.

Die berüchtigten außenpolitischen Führungsqualitäten Tony Blairs sind diesmal unsichtbar. Anders als bei seinen bisherigen Kriegen im Kosovo 1999 und Sierra Leone 2001 gibt der Premier keine Linie vor. Als Außenminister Jack Straw letzte Woche sagte, die Wahrscheinlichkeit eines Krieges sei auf 40 Prozent gesunken, wies Verteidigungsminister Geoff Hoon dies sogleich als „nicht hilfreich“ zurück – um dann zu erfahren, Straws Äußerung sei mit Blair abgesprochen. Der konservative Oppositionsführer Iain Duncan Smith genoss daraufhin einen seltenen Publikumserfolg, als er im Unterhaus Blair fragte, wie denn die Briten sich eine Meinung zum Krieg bilden sollten, wenn nicht einmal das Kabinett eine habe.

Labour-Geschäftsführer John Reid bestätigte gestern die Unklarheit, als er gegenüber BBC sagte, er stimme mit Clare Short überein, dass es vor einem Irakkrieg eine zweite UN-Resolution geben müsse – aber die britische Haltung dürfe nicht darauf „beschränkt“ sein. Gefragt, was das heiße, meinte er, es sei unvernünftig, zu spekulieren, ob Großbritannien die USA im Kriegsfall unterstützen würde oder nicht.

Zumindest aber muss Blair sagen, wie denn der britische Beitrag zu einem Krieg überhaupt ausssehen könnte. Noch immer ist nicht entschieden, ob britische Bodentruppen an einer US-Offensive teilnehmen würden. Eine Festlegung dazu ist für diese Woche angekündigt. D.J.