Der blinde Fleck der Geschichte

Mit „Schöne Jahreszeit“ geht eine wöchentliche Reihe mit Filmen aus Japan und Korea jetzt in die Halbzeit

Im Jahr der gemeinsam ausgetragenen Fußballweltmeisterschaft lagen Projekte zu einem japanisch-koreanischen Kulturaustausch eigentlich nahe. Andererseits hätte man sich, nach dem Geplänkel und dem gegenseitigen Beharken in der WM-Vorbereitung, schon denken können, dass so etwas inhaltlich schwierig zu gestalten sein würde: Wie‘s die Reihe „Filmische Grenzgänge – Kino der Nachkriegszeit“, veranstaltet vom japanischen Kulturinstitut und der Botschaft der Republik Korea (unter Ignorierung der Demokratischen Volksrepublik Korea und deren Filmschaffen) dieser Tage exemplifiziert.

Das Problem der Reihe – von der in Hamburg ohnehin nur ein kleiner Teil läuft – ist ihre Konzeptionierung. Ein Mitarbeiter der Botschaft der Republik Korea definierte in seiner Rede zur Eröffnung der Reihe vor einigen Monaten in Köln das Ziel der Veranstaltung sinngemäß als eine Möglichkeit für beide Länder, sich mit all ihren kulturellen Eigenarten und Gewohnheiten vorzustellen – der Akzent lag, auch wenn ständig gemeinsame historische Wurzeln betont wurden, deutlich darauf, dass sie sich getrennt vorstellen.

Beide Seiten sind dabei offenbar darauf bedacht, bloß keine Missverständnisse im Hinblick auf die Darstellung des jeweils anderen aufkommen zu lassen – weshalb man ihn in selbstbewusster Selbstblendung einfach ignoriert. Abgesehen von Kim Su-Yongs altbacken-bravem – in Hamburg nicht zu sehenden – Alterswerk, der Coproduktion Ai no mokujiroku/Sarangui muksirok (Apocalypse of Love, 1995) beschäftigt sich keiner der Filme mit dem Verhältnis zwischen Japan und Korea. Dabei ist deren Geschichte, oft zum Leidwesen der Koreaner, untrennbar miteinander verbunden. Auch an filmhistorischen Verknüpfungen und gegenseitigen filmischen Bespiegelungen fehlt es nicht.

Die Filme selbst sind nicht das Problem, sogar zum größten Teil großartig. Wenn man nicht alle anschauen kann oder will, sollte man den koreanischen Arbeiten klar der Vorzug geben: die sieht man wahrscheinlich so schnell im Kino nicht wieder, im Gegensatz zu den japanischen Werken, die fast alle kursorisch wieder auftauchen, unter anderem, weil sie zum Kopienbestand des Japanischen Kulturinstituts beziehungsweise der Japan Foundation gehören.

Eines der herausragendsten Werke der Reihe ist Kohei Oguris Debütfilm Doro no kawa (Muddy River, 1981), die Geschichte einer Kinderfreundschaft vor dem Hintergrund des zerstörten Nachkriegsjapans. Diese schwarz-weiße, Ozueske Perle charakterisiert eine Liebe zu Kleinigkeiten, darin eine unendliche Detailfülle, die sich zum Panorama eines spirituellen Überlebens fügt. Eine andere Geschichte über die Verwüstungen der Nachkriegsjahre erzählt Lee Kwang-Mos etwas kunstgewerblicher Areumdaun sijeo (Schöne Jahreszeit, 1999): Für Korea ging der Krieg gleich weiter, mitten durch das eigene Land. Szenen aus einem Dorf offenbaren die Risse, die das Land letztendlich zu einem Hort soziopolitischer Neurosen machte.

Ganz was anderes ist schließlich der letzte Film der Reihe: Yeopgijeokin geunyeo (Miss Unerhört, 2001) war einer der Superhits des südkoreanischen Kinos der letzten Jahre. Diese hier auch nur in ihrer Kurzfassung zu sehende Komödie dürfte für alle, die nicht des Koreanischen mächtig sind, eher etwas langweilig sein, weil ein großer Teil der Witze über die Sprache funktioniert. Von außen betrachtet ist es bloß eine etwas pralle Posse über ein superlautes Mädchen, das seinen stillen Freund immer haut und doof anmacht. Auch das finden zahllose Koreaner lustig. Olaf Möller

Schöne Jahreszeit: Di + Mi, 17 Uhr, Metropolis