Stütze fördert Hausbesuch

Sozialhilfemissbrauch soll berlinweit einheitlich überprüft werden. Entwurf aus der Verwaltung schreibt regelmäßige und rigide Kontrollen vor. Senatorin Knake-Werner kennt ihn noch nicht

von GEREON ASMUTH

Mitarbeiter der Bezirke sollen Sozialhilfempfängern künftig selbst an die schmutzige Wäsche gehen. Das geht aus einem Entwurf für eine landesweite „Verwaltungsvorschrift Prüfdienste“ aus der Fachverwaltung von Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) hervor, der der taz vorliegt. Bisher stellt jeder Bezirk eigene Regeln auf, um die Ansprüche der Sozialhilfeempfänger zu checken – und möglicherweise vorhandenen Missbrauch aufzudecken. Der Entwurf war nach Informationen der taz gestern bei einer ersten Diskussion von Fachmitarbeitern der Senats- und Bezirksverwaltungen heftig umstritten.

In dem Papier sind Plankontrollen bei allen Sozialhilfeempfängern „mindestens einmal jährlich“ vorgesehen. „Die Inaugenscheinnahme von Räumen, Fenstern, Türen, Schränken, Gegenständen, Kleidungsstücken ist zur Bedarfsermittlung zulässig.“ Die Prüfer sollen über „Grundkenntnisse“ der einschlägigen Sozialgesetze sowie des Datzenschutzes verfügen. Bei den Hausbesuchen sollen sie anhand von Fragenkatalogen feststellen, ob etwa ein Sozialhilfebezieher in eheähnlicher Gemeinschaft lebt. Dann wäre ein Mitbewohner und nicht das Sozialamt für den Unterhalt zuständig. Dafür soll u. a. gefragt werden: „Wird das ‚Schlafzimmer‘ von der Person, die angibt, in diesem Zimmer eine Schlafgelegenheit zu haben, darüber hinaus erkennbar auch als Wohnbereich genutzt?“ Und: „Wird die schmutzige Wäsche erkennbar getrennt voneinander aufbewahrt?“

„Absurd und eklig“ nennt die Sozialstadträtin von Charlottenburg-Wilmersdorf, Martina Schmiedhofer (Grüne), solche Kriterien. Sie würden Sozialhilfeempfänger unter einen pauschalen Missbrauchsverdacht stellen. Während ihr Amtskollege in Mitte, Christian Hanke (SPD), ein einheitliches Vorgehen begrüßt, „wenn die Regelung vernünftig ist“, hält Schmiedhofer die Initiative für „schlicht überflüssig“. Man könne Sozialausgaben eher durch mehr Beratung als durch mehr Kontrolle senken, dafür aber fehle das Personal. Der Entwurf klinge, als komme er von der CDU, meint sie, oder als sei der Sozialsenatorin „irgendetwas aus der Finanzverwaltung durchgerutscht“.

Ursprung des Ganzen seien die „sehr rigiden Sparvorstellungen“ bei der Sozialhilfe von Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD), sagte Knake-Werners Sprecherin Roswitha Steinbrenner der taz. Mit der einheitlichen Regelung wolle man vor allem mehr Transparenz schaffen und dem unberechtigten Vorwurf entgehen, in einigen Bezirken gebe es vermehrt Sozialhilfemissbrauch wegen fehlender Kontrollen. Daher hätten Fachleute aus den Verwaltungen zusammengetragen, wie die Bezirke derzeit vorgingen. Der daraus entwickelte Entwurf sei nur Grundlage für eine ausführliche Diskussion mit den Bezirken. Eine politische Bewertung stehe noch aus. „Nicht einmal die Senatorin hat ihn bisher gesehen“, betonte Steinbrenner. Vor einem Beschluss werde die Regelung auf jeden Fall radikal überarbeitet, auch der Fragenkatalog soll wesentlich verdünnt werden.