Schaut auf Madrid

Heute beginnt das Festival „Made in Madrid“, das bis zum 4. Oktober für eine Stadt wirbt, die trotz ihres kulturellen Reichtums Imageprobleme hat. Mit einer Gastspiel-Tournee arbeitet sie an ihrem Bild

Wo Spanien draufsteht, ist oft Flamenco drin. Das ist bei dem Festival „Made in Madrid“ nicht anders, das heute mit einem „Sangre Flamcena“ des Nuevo Ballet Español im Admiralspalast und Kurzfilmen im Instituto Cervantes beginnt. Weitere Spielstätten sind die Kulturbrauerei für Flamenco-Fusion von Antonio Carmona, die Volksbühne und das Konzerthaus am Gendarmenmarkt, in dem das Orqesta de la Comunidad de Madrid am 2. Oktober gastiert.

VON EKKEHARD KNÖRER

Rafael Nadal, der beste, vielleicht auch zweitbeste Tennisspieler der Welt, spricht seit ein paar Wochen nicht mehr mit seinem Verbandspräsidenten Pedro Muñoz. Der hatte sein Versprechen nicht eingehalten, das spanische Davis-Cup-Team dürfe den Austragungsort fürs Viertelfinale gegen die USA selbst bestimmen. Das Team wollte ans Mittelmeer und keinesfalls ins auf fast siebenhundert Metern Höhe gelegene Madrid, da ist die Luft zu dünn, da werden die Aufschläge von Andy Roddick zu schnell. Kein Witz. Muñoz gab nicht nach, die Wettkämpfe fanden in der Stierkampfarena „Las Ventas“ in der spanischen Hauptstadt statt. Spanien gewann trotz Höhenluft vier zu eins gegen die USA. Half aber nichts: Rafael Nadal spricht noch immer nicht mit dem Verbandspräsidenten Muñoz.

Vor ein par Wochen flog ich mit ein paar Journalistenkollegen in der Business Class mit „Iberia“ von Berlin nach Madrid. Wir waren untergebracht im zentral gelegenen, hochklassigen „Hotel de las letras“, einem, ich zitiere den Werbeprospekt, „liebevoll restaurierten Stadtpalais aus der Belle Epoque“. Wir wurden in einem Edel-Fastfood-Laden mit Neo-Tapas gefüttert. Sie waren kreiert von Paco Rancero, der beim Molekularküchengott Ferran Adrià gelernt hat. Vor allem die leise im Mund explodierenden Kartoffelquadrate waren sehr lecker, dem Rest war eher der Ehrgeiz zur Neuerung als deren vollendetes Gelingen anzumerken. Paco Rancero kam auch zu uns an den Tisch. Später saßen wir auf der Terrasse eines angesagten Hotels, blickten auf die Dächer der Stadt und wurden mit noch mehr Neo-Tapas gefüttert. Sushi, stellte sich überraschenderweise heraus, ist die Tapas-Variante mit rohem Fisch. Madrid als Stadt kulinarischer Aneignung.

Tagsüber wurden wir mit einem kleinen Bus von Museum zu Museum kutschiert. In Reina Sofia, dem Museum für Gegenwartskunst, sahen wir Pablo Picassos „Guernica“, im Prado sahen wir eine Sonderausstellung mit Werken von Goya. Als man uns dann noch ins Thyssen-Bornemisza-Museum schleppen wollte, haben wir gestreikt.

Man zeigte uns das neue Caixa Forum, den ganzen Stolz des kulturellen Madrid. Ein ehemaliges Elektrizitätswerk gleich gegenüber vom Prado wurde von den Schweizer Filigran-Monumentalisten Herzog & de Meuron, Schöpfer zuletzt des „Vogelnest“-Olympiastadions in Peking, mit einer elegant-rostigen Krone überformt und zum Museum und Kulturveranstaltungsort umgebaut. Das Gelingen des Baus war sehr wichtig, denn viel weltberühmte Architektur gibt es nicht in Madrid.

Was haben nun Rafael Nadal, Tapas und Herzog & de Meuron mit „Made in Mad“, der Madrider Kulturwoche in Berlin, gemein, die heute beginnt? Mehr, als man denkt. Vor allem hat das alles mit dem Tourismusbüro der konservativ regierten Autonomen Gemeinschaft Madrid zu tun. Und auch damit, dass Spanien seit dem Ende des Franco-Faschismus nicht so genau weiß, wie es verfasst ist. Gewiss kein Zentralstaat, aber auch kein in seiner Kompetenzverteilung einigermaßen geregeltes Föderalgemeinwesen wie Deutschland. Die autonomen Gemeinschaften sind teils sehr autonom. Seit letztem Jahr hat, zum Entsetzen vieler Spanier, Katalonien sogar seinen Status als eigene „Nation“. Und Katalonien hat natürlich das schicke und kulturell lebendige Barcelona, die Gaudí-Stadt, die Expo-Stadt, die Olympia-Stadt, die mediterrane Stadt am Meer. Madrid dagegen ist das Image der Hauptstadt als graue Maus noch immer nicht ganz los.

Durchaus zu Unrecht. Das Nachtleben ist legendär. Es ist kaum zu fassen, was auf den Straßen der Innenstadt bis weit nach Mitternacht los ist. Auch das Kulturleben ist beeindruckend. Nicht nur die Hoch-, auch die Avantgarde-Kultur wird in allen Bereichen gefördert. Eine Einrichtung wie die Casa Encendida, ein für alle offenes Kulturzentrum, wünscht man sich auch für Berlin. Die spanische Sparkasse ist verpflichtet, zehn Prozent ihrer Gewinne für soziale und kulturelle Zwecke auszugeben, und das tut sie unter anderem eben mit der Casa Encendida. Da gibt es Kino- und Konzertveranstaltungen, Gegenwartskunst, günstige Volksbildungskurse und allerhand anderes abseits aller Repräsentationskultur.

Protziger liebt es die Autonome Gemeinschaft Madrid. Die sponsert über ihr Tourismusbüro seit diesem Jahr mit so viel Geld den Davis-Cup, dass auch ein Rafael Nadal mit seinen Vorbehalten gegen die Höhenluft nichts mehr zu melden hat. Außerdem bewirbt sich Madrid – als europäische Stadt eher chancenlos – für Olympia 2016.

„Made in Mad“ ist nun ganz auf dieser Linie vor allem eines: Tourismuswerbung durch Kultur. Man zeigt der Welt, was man hat. Eine erste Ausgabe fand im letzten Jahr passenderweise in der Höhle des spanischen Löwen statt, in Barcelona.

Und nun umwirbt der Madrider Bär (die Städte haben dasselbe Wappentier) mit dem tapsigen Charme desjenigen, der vor Kraft und Geld strotzt, den von Berlin. Mit Filmen madrilenischer Filmemacher im Instituto Cervantes, mit dem Expressivflamenco des Nuevo Ballet Español im Admiralspalast, mit Theater, klassischer Musik und manchem mehr. Vorab zu sehen gab es für die mit Goya und Neo-Tapas gefütterten Pressereisenden leider so gut wie nichts. War wohl nicht so wichtig. Egal: Machen Sie sich einfach selbst ein Bild.