globalisierungskritik weltweit
: Serie zum Weltsozialforum in Porto Alegre, Teil 4

Die unsichtbaren Kritiker

Von den 126 Millionen JapanerInnen bezeichnen sich etwa 100 als Globalisierungkritiker. Nicht mal ein Kritiker auf eine Million Einwohner. Die Rechnung stammt nicht von der taz, sondern von Tetsuji Tanaka. Der Präsident der japanischen Sektion von Attac besitzt für einen bewegten Japaner ungewöhnlich viel Humor und lacht dem europäischen Besucher gerade ins Gesicht.

„Aktive insgesamt sind es schon ein paar mehr, und sie sind recht fleißig“, fügt Tanaka hinzu. Gerade erst ein Jahr ist es her, dass Attac Japan gegründet wurde, und heute zählt die Bewegung etwa 500 Sympathisanten. Tanaka betont, dass sich die japanischen Attac-Leute weniger als Kritiker der Globalisierung fühlen, denn als BefürworterInnen einer kritischeren Haltung. Und so wie sich in diesem Lande mit der LDP eine Partei ohne Parteiprogramm jahrzehntelang an der Macht hält, ist es andererseits schwierig, eine breite Gegenbewegung für ein globales Anliegen unter ein Dach zu bringen.

Dafür sind die Einzelkämpfer umso beeinduckender. Etwa die junge Yoko Fukawa, Vertreterin der japanischen Jubilee-2000-Sektion. Diese Dritte-Welt-Entschuldungskampagne arbeitet mit dem Debtnet-Japan in einem Stockwerk des Pazifisch-Asiatischen Forschungszentrums (Parc). Eigentlich sei Parc das Sammelbecken aller NGOs Japans, die sich mit Fragen der Globalisierung auseinander setzen, erklärt Fukawa. Im ganzen Lande gebe es sicher 200 Untergruppen. Womit die Zahl der Globalisierungsaktiven dann doch wesentlich höher läge.

In der offiziellen Politik ist Globalisierungskritik durchaus ein Thema. Besetzt wird es aber von den konservativen Flügeln und findet auch mal auf der Frontseite des Finanzblattes Nihon Keizai Shimbun Platz. Die Aushöhlung des Produktionsstandortes Japan ist unter der Regierung von Ministerpräsicent Junichiro Koizumi zu einem heißen Thema geworden. Steigende Arbeitslosigkeit und eine Verlagerung von Produktionswerken ins nahe China haben sogar dazu geführt, dass manchmal der aufstrebende Drache China in den Mittelpunkt der Kritik rückt.

Leute wie Yoko Fukawa und Tetsuji Tanaka hingegen arbeiten mit jungen Volkswirten, Soziologen und Ethnologen zusammen, um die wachsende Armut in Asien nach der Finanzkrise zu untersuchen. Zusammen mit NGOs aus Südostasien blicken sie hinter die negativen Auswirkungen des Krieges gegen den Terror auf Volkswirtschaften wie Indonesien und die Philippinen. Und mehr als zwanzig NGOs setzen sich für die totale Entschuldung afrikanischer Staaten ein. Japan solle den ersten Schritt tun.

Versprengt und unsichtbar sind diese Leute in Japan. Nur in Porto Alegre werden sie wohl auffallen. Tetsuji Tanaka lacht schon wieder, als er dem erstaunten Europäer sagt, dass mindestens hundert Japaner in der Delegation sind. Aber zwei Drittel davon nur, weil sie es mit einem Urlaub in Brasilien verbinden wollen. ANDRÉ KUNZ

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