Klischees müssen sein

Sich stetig steigerndes grausames Ritual, aus dem keiner der Protagonisten aussteigt: Regisseur Sebastian Schlösser spielt in Jens Roselts „Dreier“, das jetzt im Malersaal herauskommt, eine fast klassisch verwickelte Liaison durch

Drei sind meist genau einer zu viel. Die Liebe zu dritt hat seit jeher die Phantasie der Dramatiker beflügelt. Nicht nur tragisch, denn diese Konstellation führt oft auch zu heiteren Verwicklungen. Dutzende Boulevardkomödien funktionieren nach diesem Prinzip.

In seinem Theaterstück Dreier spielt der junge Autor Jens Roselt mit diesen Klischees. Roselt ist den Hamburgern durch sein Pamphlet in Stefan Puchers Möwe-Inszenierung ein Begriff. Nach der Uraufführung von Dreier 2001 in Stuttgart kommt sein temporeiches Werkstück jetzt im Malersaal heraus, inszeniert von dem jungen Regisseur Sebastian Schlösser. Der lacht verschmitzt durch seine Hornbrille, wenn er erzählt, dass alle Beteiligten Dreiecksverhältnisse in ihrem Umfeld beobachten.

Der 25-Jährige ist Autodidakt. Eine Hochschule hat er nie von innen gesehen. Die Bühnenkunst hat er sich in Assistenzen am Altonaer Theater und als Mann der ersten Stunde unter Tom Stromberg angeeignet. Hier assistierte er bei Viviane de Muynck, Armin Petras und Jürgen Gosch. Aus der Lesung eines Jugendstücks in der Werkstatt Junges Schauspielhaus wurde seine erste gelobte Inszenierung: Nicht Nichts von Jannis Klasing im Neuen Cinema. „Ich bin kein theoretischer Mensch, sondern verhandele das lieber direkt mit Menschen“, erklärt Schlösser seinen ungewöhnlichen Weg ans Theater. In seiner Arbeit hält er es mit einem sanft gebrochenen Naturalismus und mit Christoph Schlingensief: „Das hat es alles schon gegeben, aber ich war nicht dabei.“

Dreier erzählt die klassische Liaison zu dritt: Eine Fernsehjournalistin betrügt ihren Mann, einen karrieregeilen Staatsanwalt mit dessen bestem Freund, einem soften Augenarzt. Soweit das Klischee. „Wir können eine Woche ohne Rauchen und Saufen auskommen, aber eine Woche ohne Klischees? Auf die ist doch alles zurückzuführen“, sagt Schlösser. „Dahinter spürt man aber schnell ein Spiel mit Theatermitteln und -zitaten. Die Beträge, die hier verhandelt werden, sind schließlich hoch.“ Plötzlich steht der Ehemann, im Stück einfach nur M2 genannt, im Türrahmen und die Frau flüchtet unters Bett. Der „beste Freund“ M1 läßt sich daraufhin zu einem gewagten Spiel verleiten, provoziert den Gast mit Zweideutigkeiten. Der Betrogene sucht jedoch nur nach einer zündenden Formulierung für ein Plädoyer „So was wie: Wollt ihr den totalen Krieg?“ Alle sind auf ihre Art zynisch.

Schließlich eskaliert die Situation, jeder will das Spiel in seinem Sinne zu Ende spielen. Und doch sind sie unfähig, aus den grausamen Ritualen auszusteigen. „So eine Konstellation ist immer tragisch. Damit bleibt sie theaterfähig. Die Lebensentwürfe der 68er haben sich ja nicht eingelöst, sondern sind in viel größerem Konservatismus geendet“, beklagt der Regisseur. Da hilft es auch nicht, dass über einer neuen Margarine-Werbung im Feuilleton ein Diskurs über die moderne Frau und ihre standesgemäßen zwei Liebhaber ausbricht.

ANNETTE STIEKELE

Premiere: Donnerstag, 23. Januar, 20 Uhr, Malersaal