Gesucht: ein Image

Auch die Band Freistil singt am 7. März in Kiel um eine Fahrkarte zum Grand Prix in Riga. Das Magazin „YAM!“ unterstützt sie. Nur: warum?

von HEIKE SCHMITT

Sie gingen vor zwei Wochen im Trubel verloren. Damals, in der Nacht eines Montags, waren sie auch im Hamburger Revuetheater Schmidt’s Tivoli zu Gast. Denn ihre Plattenfirma BMG schickt sie ins Rennen um den Sieg bei der deutschen Grand-Prix-Vorentscheidung. Traurig, aber wahr: So wie Elmar Brandt von der Bild-Zeitung sind die vier Jungs von der Gruppe Freistil nicht im Blitzlichtgewitter gebadet worden.

Im Gegenteil: Trotz ihrer in der Pressemappe nachlesbaren Geschichten, dass ihr Song „Hörst du meine Lieder“ traurig vom Schicksal eines jungen Mannes berichtet, der unerwartet an einem Epilepsieanfall stirbt, gab es kaum Aufmerksamkeit für das Quartett aus dem Schwäbischen. Und das ist gemein, weil Simon, Fabian, Philipp und Nico sich doch ausdrücklich als Musikanten ohne Liebe zum Schlager verstehen und der NDR doch unbedingt möchte, dass die deutschen Grand-Prix-Vorentscheide viel modernes Zeugs enthalten. Aber halt: So ganz ohne Freunde waren die Freistiler doch nicht. Die Macher des in München erscheinenden Jugendmagazins YAM!, eine, wie man ohne Wunsch nach Beleidigung sagen darf, Bravo für die Zurückgebliebenen, erbarmten sich der Stuttgarter und nahmen sie unter ihre Fittiche.

Und das hat der NDR und sein Grand-Prix-Impresario Jürgen Meier-Beer auch erst aus der Presse erfahren – womit das Gerücht dementiert sein möge, der öffentlich-rechtliche Sender habe noch ein viertes Printmedium für seine Zwecke – hohe Quote der Sendung aus Kiel – eingespannt. Aber Meier-Beer freut sich auch so: „Ich begrüße grundsätzlich, dass Plattenfirmen mit journalistischen Medien kooperieren. Die Beteiligung von YAM! ist für den Grand Prix eine Bereicherung.“

Und tatsächlich kam die mediale Partnerschaft für Freistil so zustande: Die Macher von YAM!, wie alle Jugendmagazine bemüht, die glamourösesten Homestories von den glamourösesten Boybands exklusiv zu bekommen, stehen ja immer schwer im Schatten von Bravo – jene hatten Freistil noch nicht entdeckt, was ja zunächst nicht gegen die Gruppe spricht. Aber wie dem auch sei: Freistil fehlte der nötige Drive – und YAM! der richtige Act. So telefonierte der Chefredakteur Simon Peter mit Oliver Opitz von der BMG, und der Deal war besiegelt. Beide, so räumt man ein, haben nun eine Plattform: Die BMG (und Freistil, natürlich) kann sich eines Magazinmediums versichert sein, und YAM! wird in den folgenden Wochen häufiger als gewöhnlich erwähnt, allein in diesem Text bislang sechsmal!

Und die Musik? Freistil behaupten von sich, Gitarrenpop auf lustig zu machen, aber irgendwie auch ernst. Was als Aussage völlig okay ist, denn wer will schon als reine Oberfläche verhandelt werden? Opitz von der BMG sagt: „Acts wie Guildo Horn oder auch Stefan Raab haben zwar zu einer Neuorientierung des Grand Prix beigetragen, aber im Ausland konnte das doch niemand nachvollziehen. Das Gleiche würde ich auch für Elmar Brandt vermuten.“ In der Konkurrenz von Freistil lässt der BMG-Mann immerhin Senait gelten: „Es wird beim Grand Prix alles farbiger. Das passt auch besser zu Deutschland. Ist nicht mehr alles so wie früher bei der ZDF-Hitparade.“

Freistil haben schon eine CD veröffentlicht, sie bleib allerdings ohne Erfolg. Womöglich tummeln sich auf dem Markt namens „Wir wollen keinen Schlager, sondern Pop machen“ in Deutschland zu viele Bands. Die Stuttgarter wollen aber durchhalten. Opitz: „Die kriegen ein ganz neues Image.“ Bislang präsentierte sich Freistil in bunten Textilien, fröhlich und ungrüblerisch: „Auch optisch sollen sie klarer positioniert werden.“ Was bedeuten soll: Die vier sollen sich nicht mehr unabhängig von Absprachen freistilig kleiden. „Sie können anziehen, was sie wollen. Wir möchten nur, dass bei ihnen nicht alles zufällig aussieht.“

Und ihr Song für Kiel, eben jene Geschichte über den Tod eines Freundes, der an den Folgen eines epileptischen Anfalls stirbt, ist schon Teil ihres Imagekorrektur. Bis zum 7. März hat das Quartett noch viel zu arbeiten: Auftritte in Schulen, Dreharbeiten für ein Video und etliches mehr, das Freistil zu einem Hype machen soll. Clou aber soll ein Internetforum sein für Menschen, die ihre noch jugendlichen Angehörigen verloren haben. YAM!, so Opitz, wird all diese Marketingideen als Freistil-Themen emotionalisieren.

Bleibt nur zu fragen, weshalb die Bravo selbst nicht einen Grand-Prix-Act supportet. Weshalb nimmt sich das Zentralorgan der deutschen Jugend nicht auch einer Band an, die vielleicht eine Zukunft hat, mit der Zeitschrift aber auf alle Fälle eine bessere: „Wir kommentieren grundsätzlich nicht das Marketing unserer Konkurrenz.“

HEIKE SCHMITT, 25, hospitiert im taz.mag und ist Creative-Village-Praktikantin in Berlin