Globalisierung ist nicht geschlechtsneutral

Wenn es um feministische Denkansätze geht, unterscheidet sich Porto Alegre nicht wesentlich von konventionellen politischen Orten. In den globalisierungskritischen Bewegungen geben alt- und neulinke Männer den Ton an

Bene Madunagu, Koordinatorin des Süd-Frauen-Netzwerks Dawn für das anglophone Afrika, spurtete beim Afrikanischen Sozialforum in Addis Abeba Anfang Januar von einem Podium zum anderen. „Egal, ob es um Kultur, Frieden, Informationstechnologien oder Landwirtschaft ging – überall taten die Redner, als sei Globalisierung geschlechtsneutral. Frauen kommen bestenfalls als Armenmasse vor.“ Es geht der Nigerianerin nicht darum, Frauen oder das Thema Geschlechterdemokratie dem Spektrum der Globalisierungskritik als Opferelement hinzuzufügen. Sie will feministische Konzepte einbringen.

„In diesem Jahr müssen wir eine kritische Masse aufbauen“, so die Organisatorinnen von Frauenveranstaltungen beim Weltsozialforum in Porto Alegre. Kaum zu glauben: Geht es um feministische Ansätze, unterscheidet sich Porto Alegre kaum von konventionellen politischen Orten. In den globalisierungskritischen Bewegungen geben wieder einmal alt- und neulinke Männer den Ton an. Und im Diskurs von Porto Alegre bleiben feministische Perspektiven randständig.

An Perspektiven haben Frauenorganisationen heftig gearbeitet, seit sie bei der Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking Frauenrechte durch zwei erstarkende Kräfte bedroht sahen: den Neoliberalismus und den Fundamentalismus. Beides bezogen sie in ihre Globalisierungskritik ein: die konzerngesteuerten Profitregime und ihre Kehrseite, politische und religiöse Fundamentalismen als Gegenwehr und Selbsthauptung gegen die neoliberale Vorherrschaft.

Gleichzeitig fand eine „Globalisierung von unten“ statt, eine transnationale Vernetzung von Basisorganisationen aus dem gewerkschaftlichen, bäuerlichen und Friedensmilieu. Sie streiten für existenzsichernde Löhne, kämpfen gegen die Patentierung von Saatgut und wenden sich gegen die Verlagerung sozialer Leistungen in die privaten Haushalte, sprich: in die unbezahlte Arbeit von Frauen.

Frauenorganisationen müssen ihre Konzepte und Kämpfe neu orientieren – so lautete das Fazit der Konferenz „Globalisierung neu erfinden“, die das nordamerikanische Netzwerk Awid vergangenen Oktober in Mexiko organisierte. Da diskutierte die intellektuelle Bewegungselite (Teilnahmegebühr 250 US-Dollar) über eine Globalisierung wirtschaftlicher und sozialer Rechte gegen den ökonomischen Fundamentalismus, attackierte die neue politische und militärische Hegemonie und betonte die Notwendigkeit, die Unterschiede und multiplen Identitäten von Frauen zu berücksichtigen.

Schon beim Asiatischen Sozialforum in Hyderabad Anfang Januar veranstalteten Frauenorganisationen ein eigenes Plenum, weil sie sich auf den gemischten Podien nicht ausreichend vertreten fanden. Unter dem Motto „Frauen leisten Widerstand gegen die Globalisierung“ konkretisierten sie die zwei Aufgaben: Widerstand gegen Neoliberalismus, Militarisierung und Fundamentalismen zu leisten und Alternativen zu entwerfen.

Voraussetzung ist in jedem Fall eine radikale Demokratisierung von Politik, Ökonomie und Kultur, in der Frauen ihre bürgerschaftliche Handlungsfähigkeit realisieren. Nur unter der Bedingung einer partizipativen Demokratie von unten sind Umverteilungsgerechtigkeit, soziale Sicherheit, aber auch Toleranz gegenüber ethnischer, religiöser und kultureller Vielfalt denkbar.

Auf diesem Hintergrund fordert Bene Madunagu eine „Reradikalisierung“ der Frauenbewegungen: „Wir müssen weg vom derzeitigen NGO-Stil, der durch Lobbying und fast schon unterwürfiges Bitten und Betteln beim Staat und den männerdominierten politischen Strukturen gekennzeichnet ist“.CHRISTA WICHTERICH