„Wer Stress machen will, macht es“

Der Verband der Alleinerziehenden begrüßt das Urteil, der „Väteraufbruch“ erwartet viel, viel Streit

BERLIN taz ■ Tommy Lee hat sich mit seiner Exfrau, „Baywatch“-Star Pamela Anderson, geeinigt. Ebenso Tom Cruise und Nicole Kidman. Auch der US-Rapper Eminem und seine Verflossene. Sie alle haben sich nach der Scheidung auf ein gemeinsames Sorgerecht für die Kinder verständigt. Unverheiratete Väter jedoch haben es ungleich schwerer mit dem Sorgerecht. So werden nach der gestrigen Gerichtsentscheidung die Auseinandersetzungen in Anwaltskanzleien, vor Gericht oder zu Hause ebenso weitergehen wie Demonstrationen von verzweifelten Vätern, die sich anketten oder in den Hungerstreik treten.

Paul Kirschner (Name geändert) würde zu solchen Mitteln nicht greifen. Weil er kein juristisches Gezerre will. Er ist Vater von zwei Kindern und lebt von der Mutter, mit der er nicht verheiratet ist, seit einem Jahr getrennt. Die beiden haben für sich einen „Deal“ gefunden: Eine Woche leben die sechsjährige Tochter und der vierjährige Sohn bei ihm, die andere Woche bei der Mutter. Die Wohnungen in Berlin liegen im gleichen Stadtbezirk. So weit, so gut. Aber: Der Vater hat nur für den Sohn das gemeinsame Sorgerecht.

Einklagen will er das Sorgerecht für die Tochter nicht. Der Grund: „So, wie es bei uns läuft, ist es relativ easy.“ Nur manchmal fragt sich der 40-jährige, ob diese Lösung „optimal“ sei. Bei der Auswahl der Schule hat er ebenso wenig Mitspracherecht wie wenn die Mutter sagen würde, dass die Kinder einen einzigen Lebensmittelpunkt bräuchten. „Dann könnte ich bei unserer Tochter nichts machen.“

Die Mutter der Kinder hingegen begrüßt das Urteil. „Ich gehöre nicht zu den Frauen, die es sich zum Ziel machen, für Männerrechte zu kämpfen.“ Wenn das Sorgerecht zu einem Streitfall werde, sei schon von vornherein ein Konflikt da und eine halbwegs einvernehmliche Lösung kaum vorstellbar. Der Umgang zwischen unverheirateten Eltern werde maßgeblich von den Charakteren bestimmt: „Wer Stress machen will, macht es. Egal, wie die rechtliche Konstellation ist.“

Die Homepage des Karlsruher Vereins „Väteraufbruch für Kinder“ (vafk), in dem sich seit 1989 hauptsächlich geschiedene Väter engagieren, verzeichnete gestern Rekordzugriffe. Innerhalb weniger Stunden kletterte die Zahl von 146.000 auf fast 148.000. Vor der gestrigen Urteilsverkündigung konnte sich Rüdiger Meyer-Spelbrink vom Bundesvorstand keinen generellen „gesetzlichen Ausschluss nichtehelicher Väter“ vorstellen. Umso „enttäuschter und überraschter“ war er von dem Ausgang. Seine Befürchtung: „In den nächsten Jahren wird sich der fürchterliche Streit um die Kinder und um Macht zuspitzen.“ Protestaktionen sind derzeit aber nicht geplant. Weil viele der Väter pleite sind.

Als einziger der insgesamt zwanzig Verbände, die vom Bundesverfassungsgericht gehört worden waren, freut sich der „Verband alleinerziehender Mütter und Väter“ (VAMV) über das Urteil. Der VAMV vertritt mit 9.000 Mitgliedern, davon etwa 20 Prozent Männer, die Interessen von Familien, in denen ledige, getrennte, geschiedene oder verwitwete Eltern mit ihren Kindern leben. Bundesgeschäftsführerin Peggi Liebisch: „Damit wird eine große Rechtssicherheit für die Kinder hergestellt und sie werden nicht zum Spielball der Streitereien der Eltern.“ Zudem trage die Entscheidung der Lebensrealität vieler Mütter Rechnung, „die den Alltag mit den Kindern meistern“: „Wenn sie nicht das gemeinsame Sorgerecht wollen, dann ist das zu akzeptieren.“

Die Berliner Anwältin Gesa Schulz, selbst Mutter einer Tochter, für die sie das Sorgerecht gemeinsam mit dem Vater hat, mit dem sie ohne Trauschein zusammenlebt, kritisiert das Urteil. „Die Männer werden voll in die Pflicht genommen, sind aber ohne Rechte.“ Es könne nicht sein, dass Väter auf das Einverständnis der Mütter zum gemeinsamen Sorgerecht angewiesen seien. „Goldesel ja, Rechte nein, das geht nicht.“

BARBARA BOLLWAHN DE PAEZ CASANOVA