Weyher Gäste Saddams
: Deutsche Friedensbewegte im Irak

„Um berichten zu können“

„No War – Kein Krieg!“ „Stoppt die Blockade gegen den Irak!“ Eine Gruppe von 32 Deutschen skandierte diese Worte gestern vor dem Bagdader Hotel „Canal“, dem Sitz der UN-Waffenkontrollmission im Irak (UNMOVIC). In einem Land, in dem freie Demonstrationen nicht möglich sind, werden die Aktivitäten von Ausländern, die ihren Protest gegen den nahenden Krieg und die seit zwölf Jahren währenden UN-Wirtschaftssanktionen äußern, von den Behörden gerne gesehen.

Die deutsche Gruppe bestand aus Teilnehmern einer Informationsreise der „Weyher Initiative für den Frieden“. Eine Woche lang haben sie in organisierter Form den Irak bereist, Krankenhäuser, Moscheen, Kirchen, Gedenkstätten und Bildungseinrichtungen besucht. „Wir sind über die unmittelbaren Eindrücke zutiefst erschüttert“, heißt es in einer Erklärung der Initiative, die bei der Kundgebung verteilt wurde. „Unter der Blockade (den Wirtschaftssanktionen) leiden vor allem die schwächsten Glieder der Gesellschaft, die Neugeborenen, die Kinder, die Kranken.“

„Seid ihr nicht erschüttert? Wart ihr schon in den Krankenhäusern?“, fragte aufgeregt eine ältere Frau aus der Gruppe einige umstehende Journalisten. „Warum wird darüber so wenig geschrieben?“, ruft sie aus. Die Journalisten winken ab. Es ist schon alles geschrieben worden. Die Sinnhaftigkeit eines Sanktionsregimes, das wichtige Medikamente und Instrumente als potenzielle Vorprodukte für die Kriegsrüstung klassifiziert, wurde ebenso thematisiert wie die mediale Instrumentalisierung dieses Elends durch die Bagdader Behörden.

Die meisten Friedensfreunde, die Gäste der irakischen Regierung sind, wollen sich von dieser nicht vereinnahmt wissen. „Ich bin durchaus kritisch gegenüber dem Regime hier“, beteuert die 47-jährige Geigerin und Musikpädagogin Ingrid Schöller aus Hamburg. In einer politischen Diskussionsrunde habe ein Orientalist sie auf die Reise aufmerksam gemacht. „Zuerst hatte ich schon Angst, weil ich ja nicht wissen konnte, wie schnell sich das alles entwickelt“, aber schließlich überwog das Motiv, das die meisten reisenden Friedensbewegten umtreibt, „um in Deutschland berichten zu können, was ich hier gesehen habe“. Als „schockierend“ habe sie empfunden, berichtet Schöller, „wie sich das Embargo auf das tägliche Leben der Menschen auswirkt“.

Zugleich habe sie berührt, „wie offen und freundlich“ die Iraker auf die Besucher zugekommen seien. Die einwöchige Reise habe sie in ihrer Haltung gegen den drohenden Krieg bestärkt. „Was da an Kultur und blühendem Leben zerstört wird, was da an Leid kommen wird, kann ich mir gar nicht vorstellen.“ Die 29-jährige Eve Britta Rennebarth aus Ottersberg bei Bremen kommt zu ähnlichen Einschätzungen. Als freischaffende Video- und Fotodokumentaristin wollte auch sie „so weit das geht, einen persönlichen Blick“ von den Zuständen im Irak gewinnen. Überrascht habe sie, dass „an der Oberfläche alles sehr normal wirkt, was vielleicht trügt“. Lediglich im Krankenhaus sei ihr aufgefallen, dass Mütter mit kleinen Kindern wegen des Kriegsdruckes „sich psychisch sehr schlecht fühlen“. Nach ihrer Rückkehr will Rennebarth ihre Dias und Filme auch in alternativen Kultur- und Medienzenten vorführen.

Gregor Mayer, dpa