Ein Traum in Blau und Weiß

Nach dem 1:3 beim direkten Konkurrenten VfB Stuttgart steht Hertha BSC Berlin bereits wieder unter Zugzwang. „Ein Rückschlag, keine Frage“, sagt Manager Dieter Hoeneß. Das Minimalziel 5. Platz ist langsam in ernsthafter Gefahr

aus Stuttgart PETER MICHAEL PETSCH

Nach der Partie hatten es die Berliner richtig eilig, nach Hause zu kommen. Man sah es den Gesichtern an: Der Samstagsausflug nach Stuttgart war verpatzt. Dabei hätte es so schön sein können: drei Punkte beim direkten Konkurrenten mitnehmen und nebenbei noch dem einen oder anderen VfB-Jungstar einen Arbeitsplatz in der Hauptstadt schmackhaft machen.

War nichts. Obwohl man sagen muss, dass es ein traumhafter Nachmittag im schönsten Blau-Weiß war – allerdings auch, dass nicht Hertha, sondern strahlend blauer Himmel und Schnee die Farben ins Stuttgarter Stadion brachten. Da waren viele weibliche Fans namens Hertha, denn die hatte der VfB zum kostenlosen Stadionbesuch eingeladen – sofern sie sich als Fan der Heimmannschaft outeten.

Das 1:3 beim direkten Konkurrenten VfB Stuttgart ist für Hertha im Kampf um die Uefa-Cup-Plätze ein „Rückschlag, keine Frage“, wie Manager Dieter Hoeneß sagt. Der Abstand zu Platz 5 ist mit 6 Punkten nun fast so groß wie zu einem Abstiegsplatz (7 Punkte). Und das, obwohl die gleiche Elf auf dem Platz stand, die noch vor einer Woche den amtierenden Meister Dortmund niedergerungen hatte.

Eigentlich ist Stuttgart ja ein gutes Pflaster für Hertha BSC. Schließlich hatten die Berliner in den letzten vier Bundesligabegegnungen von möglichen 12 Punkten immerhin 10 holen können. Dementsprechend begannen sie schwungvoll, konzentriert und ballsicher nach vorne angetrieben vom grippegeschwächten Marcelinho. Und auch hinten hielt die Abwehr um den wieder genesenen Torwart Gabor Kiraly den gelegentlichen Angriffen der Schwaben sicher stand. Die Herthaner schienen sich an das zu halten, was ihnen Manager und Stuttgartkenner Hoeneß erklärt hatte: Punkte gegen einen direkten Konkurrenten zählen doppelt.

Doch in der 28. Minute war es ausgerechnet der von Hoeneß umworbene Stürmer Kevin Kuranyi (20), der ganz uneigennützig ein Auge für den mitgelaufenen Ioannis Amanatidis bewies. Amanatidis (21) ließ dann aus kurzer Distanz Kiraly keine Chance. Danach schaltete die Offensivabteilung der Berliner unverständlicherweise einen Gang zurück, statt nachzusetzen.

Nach dem Seitenwechsel kamen sie zwar besser aufgestellt aus der Kabine, doch Marko Rehmer und Karwan verpassten nach einem Marcelinho-Freistoß frei stehend.

Kurz nachdem sich Huub Stevens dazu entschlossen hatte, seine Viererkette aufzulösen und mit Stefan Beinlich einen weiteren Offensivspieler zu bringen, erkämpte sich Alexander Hleb (21) den Ball und stürmte auf das Gästetor. Es folgte erst ein kluger Doppelpass mit Kuranyi, eine Pingpong-Einlage mit dem rausstürmenden Kiraly, der den ersten Schuss von Hleb noch abwehren konnte, doch gegen den Nachschuss ohne Chance war (69.). In der Folgezeit vergab der VfB mehrmals die Möglichkeit, die Führung noch auszubauen, was sich fast noch rächen sollte: in der 80. Minute war die VfB-Abwehr einen Moment lang nicht aufmerksam genug, so dass Alex Alves von rechts ungehindert flanken konnte: Landsmann Marcelinho köpfte ein.

Hertha warf danach alles nach vorne, um doch noch einen oder gar mehrere Punkte zu entführen. Zu spät. Die Stuttgarter nutzten sogar eine der sich nun bietenden Konterchancen zum 3:1 durch Ganea.

„Wir haben gut angefangen aber nach einer halben Stunde den Faden verloren und den schnellen VfB-Spielern zu viel Raum gelassen. Dabei hatten wir uns hier etwas ausgerechnet“, erklärte Huub Stevens nach dem Spiel. Sein unüberraschendes Fazit: „Glücklich sind wir mit dem Ergebnis nicht.“ Glücklich war auch Manager Hoeneß nicht, der aus den ersten drei Begegnungen im neuen Jahr 7 Punkte als Ziel ausgegeben hatte. Ein Ziel, das schon jetzt nicht mehr erreicht werden kann. Und auf die Frage, ob er wenigstens bei seinem Versuch, Kevin Kuranyi einen Wechsel schmackhaft zu machen, weitergekommen sei, sagte er: „Den geben die doch eh nicht her.“

Kuranyi selbst kann sich nicht erinnern, je mit Hoeneß gesprochen zu haben. Und selbst die Gelegenheit, sich bei Hertha-Jungstar Arne Friedrich zu informieren, musste er ungenutzt verstreichen lassen. Die beiden waren nach der Begegnung gemeinsam in einem Hubschrauber in ein Fernsehstudio geflogen worden, um Fußballdeutschland als Hoffnungen für 2006 präsentiert zu werden.

Es war im Hubschrauber aber „zu laut“ für ein Gespräch, wie Friedrich mitteilte. Der Defensivspieler sah im Übrigen auf dem Spielfeld gegen Kuranyi nicht immer gut aus. Das sah er auch so. Es war, sagte Friedrich, „eines meiner schwächsten Spiele“.

Der Mann, um den Manager Hoeneß die Hertha der Zukunft aufbauen will, hat insgesamt erst 19 Bundesligaspiele gemacht. Das 20. finset nächstes Wochenende gegen Schalke 04 statt. „Das“, sagt Arne Friedrich, „müssen wir gewinnen.“