An der schönen grauen Donau

Die Geschichte des depressiven Stadtgärtners Manfred: Bernhard Studlar gilt als Österreichs hoffnungsvollster Nachwuchsdramatiker. Am Wiener Akademietheater hatte sein neues Stück „Transdanubia-Dreaming“ Premiere

In Wien hängt der Himmel voller Heurigenbänke. So will es Karl Kneidl, der die Ausstattung für „Transdanubia Dreaming“, das Stück des jungen österreichischen Dramatikers Bernhard Studlar geschaffen hat, das am Freitag im Wiener Akademietheater seine Uraufführung feierte. Damit wurde schon ein Vorverständnis geprägt, das die gesamte Aufführung hindurch wirksam bleiben sollte: Wien, die Stadt der Gemütlichkeit und der Trunkenheit.

Wo diese beiden Konstanten österreichischen Lebensgefühls aufeinander treffen, hat der Friede ausgespielt. So will es Studlar, Jahrgang 1972, der sich mit seinem Wienbild ganz im Banne der Tradition befindet. Denn das Studlar-Land ist kolonisiert von Gedanken und Gefühlen, die aus größeren Ländern, dem Horvath- und Qualtinger-Land importiert wurden. So wirkt sein Stück wie aus dem Second-Hand-Laden entliehen, von unzeitgemäßem Charme umwölkt: Ein für das Theater bearbeitetes Wienerlied, eine Komödie in Moll, die all dem entspricht, was man sich immer schon unterm Wiener Klima vorgestellt hat.

Nicolas Brieger, ein Deutscher als Regisseur, ist diesem Ansturm aus Verlorenheit, Krisenstimmung und Liebenswürdigkeit heillos erlegen. Er stellt keine Fragen mehr an das Stück, er kauft ihm bedingungslos alles ab und setzt in Bilder um, was an der Oberfläche des Textes hervorsticht.

Studlar ist ein versöhnlicher Charakter. Er liebt seine Figuren, deshalb stürzt er sie ins Unglück, um sie nur umso sanfter wieder aufzufangen. Er liebt sein Publikum, deshalb konfrontiert er es mit den Härten des Lebens und wiegelt kurz darauf ab, indem er ihm zuruft, so ernst sei alles gar nicht gemeint, und ihm unschuldig-scherzhafte Szenen vorsetzt.

Manfred heißt der Unglücksrabe, um den sich das ganze Stück dreht. Er ist Anfang dreißig, lebt allein, weiß mit sich wenig und seinem Leben gar nichts anzufangen. Seine freien Tage verbringt er in einem Ausflusgslokal in im Wienerwald, von wo aus er einen guten Blick auf die Donau hat und wartet, dass etwas geschieht, vor dem er sich dann aber auch schon wieder fürchtet. Er ist ein Versager und weiß es. Das macht die Tragödie seines Lebens aus.

Cornelius Obonya spielt ihn mit jener heruntergekommenen Verlorenheit, die ihn sofort sympathisch macht. Solch ein Mensch ist so kaputt, dass er den anderen nicht einmal mehr etwas vorspielt. Studlar hat sich Bewährungsproben für diesen seltsamen Charakter ausgedacht. Einmal macht sich Jennifer (Petra Morzé) an ihn heran, und als unvermutet ihr gewalttätiger Mann (Peter Wolfsberger) auftaucht, schlägt der die junge Frau nieder. Und Manfred schaut zu und greift nicht ein. Ein anderes Mal wird er Zeuge, als ein Taxifahrer (Heinrich Schweiger) gegen Ausländer mobil macht. Manfred schaut zu und greift nicht ein. Herr Prinoszil (Johann Adam Oest), der Wirt, ist sein einziger Ansprechpartner, und in seiner schmierigen Eleganz vermittelt er den Eindruck, dass er ausgespielt, aber noch nicht ganz verspielt hat. Für ihn gibt es eine Außenwelt mit Angeboten, für deren Reize er Aufmerksamkeit aufbringen kann.

Seltsam, dass Manfred am Ende das Glück in der Person dieser verpatzt erotisch aufgemotzten Jennifer ins Haus steht. Das geschieht so überraschend, dass der Autor selber nicht recht weiß, wie um in alles in der Welt das bloß zugeht. Seltsam auch, wie schnell der Türke, der sich gerade noch vor den Trümmern seiner Existenz sah, ein neues Leben aufbaut.

Studlar baut darauf, dass wir ihm solche Überraschungseffekte einfach abkaufen. Er mag ein Autor sein, dem die Zukunft offen steht. Seinen Meisterbrief hat er sich damit noch nicht erarbeitet. ANTON THUSWALDNER