Schnappt sich die CSU die Freien?

MÜNCHEN taz ■ Jetzt auch noch das: An Bayerns Grenze zu Österreich wurde ein weiterer Bär auf den Spuren von Bruno gesichtet, den die Bayern einst feige abgeknallt haben. Als ob die CSU nicht schon genug Sorgen mit ihren Problembären hätte.

Da ist der Rudelälteste, Edmund, der sich eigentlich in seinem Gehege in Wolfratshausen die Sonne auf den Pelz scheinen lassen sollte, nachdem ihn Erwin und Günther Anfang 2007 weggebissen haben. Edmund ist das aber zu fad. Er marodiert in München und zerrt jeden CSUler, dessen er habhaft wird, in irgendwelche Hinterzimmer, um seinen ungebrochenen Führungswillen zu untermauern.

Weitere Problembären, die sich mit dem neuen CSU-Alphatier Horst Seehofer anlegen wollten, haben sich vorerst zurückgezogen. Dafür müssen die Freien Wähler höllisch aufpassen, dass die Problemmeute nicht in ihr neues Landtagsgehege eindringt.

Hier müssen wir vom Tierleben in die Statistik wechseln. Die Freien Wähler haben im Landtag 21 Mandate errungen, die CSU hat 92. Damit hat die CSU die absolute Mehrheit verfehlt. In der Vergangenheit aber hat ein solch unbefriedigender Zustand die CSU nicht ruhen lassen.

Manch einer der Schwarzbären mag auch jetzt begehrliche Blicke auf die neue Fraktion der Freien richten und sich denken, dass sie doch Äste vom gleichen Baum seien. Für eine absolute Mehrheit (94 Mandate) müssten es ja nur zwei sein, die ihr Herz für die CSU und deren Möglichkeiten entdecken. Die Freien Wähler gelten zudem als inhomogen und streitsüchtig, mit der CSU sind sie in vielen Kommunalparlamenten verbündet. Hin- und Hergewechsel ist an der Basis gar nicht so selten.

In der CSU werden solch theoretische Rechnungen fürs erste scharf zurückgewiesen. „Das würde der Wähler nie verzeihen“, sagt einer, der ungenannt bleiben möchte. Also wird jetzt wohl die FDP, mit der liberalen Sabine Leutheusser-Schnarrenberger an der Spitze, ungeliebter Koalitionspartner. Sollte es der CSU auf welchen Wegen und wann auch immer gelingen, ihre Reihen aufzufüllen, bis sie die „Absolute“ hat, müsste die FDP aber die Regierung verlassen, weil sie nie mit einer Partei koaliert, die allein über die absolute Mehrheit verfügt.

Es gibt zu solchen Überlegungen eine historische Parallele. 1954 musste die CSU sogar in die Opposition, weil die SPD mit Bayernpartei, FDP und BHE eine Viererkoalition bildete. Innerhalb von drei Jahren hatte die CSU so viele Bayernpartei-Abgeordnete für sich begeistern können, dass die bisher einzige Regierung ohne CSU-Beteiligung 1957 am Ende war.

Was den an der Grenze gesichteten Bären angeht, so soll sich angeblich Markus Söder als Umweltminister um ihn kümmern. Er wird in die Nähe des Tiers gebracht und mit seinem schönen Fränkisch behutsam zu ihm reden, ihm aber klarmachen, dass es in Bayern täglich ein Morgengebet sprechen und das CSU-Programm auswendig lernen müsse. Nach dem CSU-Plan wird sich der Bär dann, maßlos erschreckt von Anblick und Rede, schleunigst in die Karawanken zurücktrollen. MICHAEL STILLER