berliner szenen Kein Schweinehund

Als ich Osama traf

Neulich bin ich Osama begegnet. Auf der Stargarder Straße im Prenzlauer Berg. Mir wurde klar: Osama sieht im wirklichen Leben ganz anders aus. Nicht so, wie man ihn aus dem Fernsehen kennt. Schlank ist er wirklich, lange, schöne Beine. Dunkle, kurze Haare, lange nicht so gealtert und schal wie auf den bekannten Bildern. Er ist ganz quirlig und auch sehr schmalschnauzig. Aber wirklich alles andere als ein Schweinehund. „Osama!“, rief sein genervtes Frauchen energisch, während Osama gerade noch mit einem Beinchen in der Luft sein Revier besprengte.

Osama ist gut erzogen, seinem Frauchen pariert er sofort. Ich wollte mehr über Osama wissen, alles über seine Vorlieben und Ticks. Wollte gern wissen, wo er sich so rumtrieb und was er ausheckte den ganzen Tag. Und von seinem Frauchen auch. Wie sie Osama gefunden hatte? War er vielleicht lange Zeit namenlos und erst so genannt, nachdem man einen besonderen Jagdinstinkt in ihm beobachtet hat? Warum hatte sie ihn Osama getauft? Wollte sie auf diese Weise Macht ausüben? Ich wollte auch wissen, ob Osama Freunde hatte. War er überhaupt gesellschaftsfähig? Wie würde das ablaufen, wenn sich Osama inmitten von Bellos und Lassies vorstellte? Würden die anderen dann vor ihm weglaufen? Oder ihn wegen seines exotischen Namen und Äußeren cool finden? Ich wollte das Frauchen fragen, wie sie angesehen wird, wenn sie mit Osama Gassi geht. Ich drehte mich also um, und da war Osama wie vom Erdboden verschluckt.

Neulich hörte ich das verzweifelte Bellen von einem Ausgesetzten. Da fragte ich mich: Was würde ich tun, wenn ich Osama vorfinden würde, nur so, an einer Leine? Den Tierschutzbund anrufen? Oder ihn einfach laufen lassen? MARYAM SCHUMACHER