Reisewarnung aus Washington

München bereitet sich auf die „Sicherheitskonferenz“ mit Donald Rumsfeld vor – und das US-Außenministerium fürchtet um den Frieden in Deutschland

aus München JÖRG SCHALLENBERG

München ist für Bürger der USA ein verdammt gefährliches Pflaster. Ungefähr so wie Bagdad. Oder Teheran. Oder Tripolis. Zumindest, wenn man den Reisewarnungen des US-Außenministeriums glauben will. Im Hinblick auf die zu erwartenden Proteste gegen einen Irakkrieg und die Sicherheitskonferenz am kommenden Wochenende findet sich auf der Homepage des State Departments eine diplomatisch formulierte und dennoch unmissverständliche Mitteilung : „Die Botschaft macht US-Bürger darauf aufmerksam, dass auch Demonstrationen, die friedlich verlaufen sollen, zu Konfrontationen führen können, die möglicherweise in gewalttätige Aktionen ausufern können.“

US-Amerikaner, die in München leben oder als Touristen in der Stadt sind, sollten sich daher vorsichtshalber von allen Demonstranten fern halten, die am Freitag und Samstag auf die Straße gehen.

Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) hält die Warnung für „reine Stimmungsmache“, die von den Inhalten der Demonstrationen ablenken soll. Und Siegfried Benker, Fraktionschef der Grünen im Münchner Rathaus, kommentiert die Sorge des State Departments eher sarkastisch: „Die Amis haben doch sonst keine Angst – wenn es darum geht, bis nach Bagdad zu marschieren.“ Benker und Ude zählen am Wochenende selbst zu den vermeintlich gefährlichen Protestierern. Sie gehören zu den Rednern einer vom DGB organisierten Demonstration, die sich explizit gegen die US-Kriegspolitik, nicht aber gegen die Sicherheitskonferenz richtet, bei der sich hochrangige Militärs und Politiker im Nobelhotel Bayerischer Hof mitten in der Innenstadt treffen.

Der Oberbürgermeister hat sich mit seiner Haltung zu der umstrittenen Tagung in eine Zwickmühle gebracht. Zunächst wollte er der seit Jahren in München abgehaltenen Veranstaltung – die früher Wehrkundetagung hieß – den üblichen städtischen Empfang verweigern, dann ließ er sich überzeugen, dass die Konferenz nicht unbedingt der Kriegsplanung dient. Nun gibt es am Freitagabend eine offizielle Begrüßung, und am Samstagmorgen den eingeschränkten Protest von Christian Ude.

Darüber regen sich nun wiederum die Organisatoren der zweiten großen Demonstration auf, die am Samstag unmittelbar nach der für den Odeonsplatz vorgesehenen DGB-Abschluss-Kundgebung nur wenige hundert Meter entfernt auf dem Marienplatz stattfindet. Dorthin haben Attac, das Münchner Friedensbündnis und weitere Gruppen zum Protest aufgerufen. Sie befürchten, dass die kurzfristig angesetzte Demo von Parteien, Kirchen und Gewerkschaften den Widerstand gegen die Tagung spaltet. Weiterhin findet parallel zum Treffen von Militär und Politik eine Friedenskonferenz statt, die Alternativen zur Sicherheitspolitik der US-Regierung diskutieren will. Insgesamt werden zu allen Veranstaltungen weit über 10.000 Teilnehmer erwartet. Das versetzt die bayerischen Sicherheitsbehörden in höchste Alarmbereitschaft. Obwohl die Polizei mit keinen Hinweisen auf geplante gewalttätige Aktionen dienen kann, warnt Bayerns Innenminister Günther Beckstein bereits vor „tausend gewaltbereiten Straßenkämpfern“ aus dem In- und Ausland und erklärt vorsichtshalber die gesamte Stadt zur Festung. Besonders die Anreise von US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld könnte ganze „Gewaltexzesse“ provozieren, schaudert es Beckstein. 3.500 Polizisten sollen für Sicherheit und Ordnung sorgen. Kritiker wie Claus Schreer, Mitorganisator des Münchner Friedensbündnisses, halten Becksteins Aussagen allerdings für reine Panikmache und ein „Lügenmärchen in gewohnter Manier“. Bereits vor der Sicherheitskonferenz im vergangenen Jahr hatte der Innenminister ähnliche Schreckensszenarien entworfen. Ein zur vorigen Militärtagung verhängtes Demonstrationsverbot hat das Verwaltungsgericht gerade erst im Nachhinein aufgehoben.

Nicht schrecken von all den Warnungen lassen sich im Übrigen jene in München lebenden US-Bürger, die selbst gegen die Politik ihrer Regierung protestieren wollen. Das Munich American Peace Committee, sagt Sprecher Michael Stewart, „wird natürlich am Samstag auf dem Marienplatz demonstrieren“.