Lächerlich und Antiwissenschaft

Die USA wollen derzeit nicht mit der Europäischen Union über gentechnisch veränderte Nahrungsmittel streiten.Eine Klage bei der WTO gegen das Gentechmoratorium wurde von der Bush-Regierung erst einmal verschoben

Die US-Regierung wird vorerst darauf verzichten, die Europäische Union wegen ihrer restriktiven Vorschriften beim Import von gentechnisch veränderten Pflanzen zu verklagen. Eine für diese Woche angekündigte Entscheidung im Bush-Kabinett, das seit über vier Jahren in der EU bestehende Anbauverbot fürt Gentechpflanzen vor die Welthandelsorganisation (WTO) zu bringen, wurde am Mittwoch auf unbestimmte Zeit vertagt. Der Grund ist der drohende Irakkrieg. „Es macht keinen Sinn, die Europäer bei Nahrungsmitteln auf die Probe zu stellen, während sie in der Irakfrage gefordert sind“, begründet ein Regierungsbeamter in der New York Times die Entscheidung.

Vor allem der US-Handelsbeauftragte Robert Zoellick hatte die Bush-Regierung dazu gedrängt, die EU wegen nicht gerechtfertigter Handelsbeschränkungen zu verklagen. Zoellick hatte die EU beschuldigt, mit dem Gentechmoratorium ihren Saatgutmarkt vor der US-Konkurrenz abzuschotten. Das sei ein eindeutiger Verstoß gegen die WTO-Regeln. Auch ist für Zoellick die EU schuld daran, dass einige der unter einer dramatischen Hungersnot leidenden südafrikanischen Staaten Lebensmittelhilfen ablehnten.

Die EU schüre dort die Angst, dass die Hilfslieferungen, in denen auch Gentechprodukte enthalten sind, die Gesundheit schädigen würde. Die skeptische Haltung der Europäer gegenüber Gentechlebensmittel sei „lächerlich“, so Zoellick, es handele sich dabei um eine „Antiwissenschaft“, denn es gebe keine wissenschaftliche Begründung für die Ablehnung oder einem Verbot von gentechnisch veränderten Lebensmitteln.

In den letzten Wochen wurde der Streit zwischen EU und den USA auch zunehmend öffentlich in den Medien ausgetragen. So wollte Zoellick die EU dafür moralisch verantwortlich machen, wenn aufgrund der abgelehnten Lebensmittelhilfen Menschen verhundern müssten. Die Vorwurfe nahmen so an Schärfe zu, dass sich die EU-Kommission genötigt sah, ebenfalls öffentlich dagegen anzugehen.

Der für die Entwicklung zuständige EU-Kommissar Poul Nielson bezichtigte den US-Handelsbeauftragten öffentlich der Lüge. Gemeinsam mit fünf anderen EU-Kommissaren beschwerte er sich in einem Brief an das Wall Street Journal über die Verbalattacken.

In den USA bekommt Zoellick zwar Unterstützung von den Gentechfirmen und Agrarverbänden. Nach eigenen Angaben gehen der US-Agrarwirtschaft wegen dem EU-Moratorium jährlich Exporterlöse von mehr als 500 Millionen Dollar verloren.

Doch es gibt auch warnende Stimmen, die einen „Rückschlag“ befürchten, sollte die USA vor der WTO Recht bekommen. Die Verbraucher würden die Gentechprodukte noch weniger akzeptieren, wenn ihnen durch eine WTO-Klage vorgeschrieben wird, was sie zu essen haben.

Die Europäischen Union sei nicht grundsätzlich gegen gentechnisch veränderte Lebensmittel, versuchte EU-Landwirtschaftskommissar Franz Fischler vor wenigen Tagen in Washington die Wogen zu glätten. Er ist optimistisch, dass das Problem in drei bis vier Monaten gelöst sein wird.

Im Dezember hatte der EU-Ministerrat sich auf verschärfte Bestimmungen zur Rückverfolgbarkeit und Etikettierung für Gentechlebensmittel und -futter geeinigt. Dem muss das Europäische Parlament noch zustimmen. Wenn diese Regelungen letztlich in Kraft sind, könnten wieder gentechnisch veränderte Organismen zugelassen werden, der Landwirtschaftskommissar.

WOLFGANG LÖHR