Weiterbildung für Gabriel

Werden mehr Kohlekraftwerke gebaut, als bisher genehmigt, sind Deutschlands Klimaziele nicht zu erreichen

BERLIN taz ■ Die Aussage ist nicht neu, wohl aber die Quelle: Wenn über die bisher in Bau befindlichen oder genehmigten Kohlekraftwerke hinaus noch weitere gebaut werden, ist das deutsche Klimaschutzziel, den Kohlendioxid-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent zu senken, nicht zu schaffen. Zu diesem Ergebnis, schreibt der Spiegel, komme die „Leitstudie 2008“, die sich Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) vom renommierten Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat erarbeiten lassen. Höchstens 10.000 Megawatt neue Kohlekraftwerke dürften demnach noch gebaut werden. Laut einer Übersicht des BUND sind derzeit Neuanlagen mit 10.400 MW in Bau oder genehmigt, weitere 14.000 MW bereits im Genehmigungsverfahren und nochmals 6.000 MW angekündigt.

Schon vor knapp zwei Jahren waren Experten des Umweltbundesamtes (UBA) zum selben Ergebnis gekommen: Detailliert rechneten sie den Kohlendioxid-Ausstoß der Anlagen von RWE, Eon, Vattenfall & Co. zusammen und warnten, dass sich „bereits heute zu viele Steinkohlekraftwerke in Betrieb befinden, die auch im Jahr 2020 noch in Betrieb sein werden“.

Blicke man bis zum Jahr 2030, könnten zwar noch einzelne Kohlemeiler genehmigt werden, „diesen Spielraum schöpfen die heute bekannten Planungen jedoch bereits aus und überschreiten ihn sogar“.

Die UBA-Studie wurde damals kurz nach Veröffentlichung wieder von der Behördenwebsite genommen – auf Drängen des Gabriel-Ministeriums, wie aus dem Amt verlautete.

Im vergangenen Jahr hat dann die Deutsche Umwelthilfe nachgelegt: Sie nahm die existierenden Klimabeschlüsse der Bundesregierung her und rechnete nach, wie viel CO2 demzufolge die deutsche Stromproduktion in gut zehn Jahren noch emittieren darf. Davon zog sie die dann sicher existierenden Kohlekraftwerke ab. Ergebnis: Für den darüber hinaus 2010 benötigten Strom dürfen höchstens 368 Gramm Kohlendioxid pro Kilowattstunde ausgestoßen werden. Kohlekraftwerke kommen bislang auf mindestens doppelt so hohe Werte.

Die neue Studie des DLR dürfte den Bundesumweltminister nicht erfreuen, sein Sprecher wollte sie am Sonntag nicht kommentieren. Bisher hatte Gabriel in Sachen Kohle einen moderaten Kurs gesteuert und den Bau von mehr neuen Kraftwerken befürwortet, als nun seine eigenen Experten für vertretbar halten.

TORALF STAUD