Kind of blue

Er schrieb böse Romane über das Nachkriegsdeutschland, dann stieg er aus: Der Schriftsteller Hans Frick ist tot

Nur in seinen Albträumen kommt ein Schriftsteller auf die Idee, mit dem Schreiben aufzuhören. Punkt, Schluss, ab nach Spanien und vielleicht Häuser renovieren.

Sein letzter Roman „Die Flucht nach Casablanca“ erschien 1980, und dann machte Hans Frick genau das. Erich Maria Remarque hatte über Fricks Debütroman „Breinitzer oder Die andere Schuld“ 1965 eine Hymne im Spiegel geschrieben, und auch am Ende seiner Karriere sah’s eigentlich gut für ihn aus. Helmut Käutner verfilmte „Mulligans Rückkehr“ mit Helmut Qualtinger in der Hauptrolle, und es war Jörg Fauser, der 1979 dies schrieb: „Ich weiß, dass es in meinem Land nur einige wenige Schriftsteller gibt, die das Papier wert sind, auf dem ihre Bücher gedruckt werden. Einer von ihnen ist Hans Frick.“

Es waren die persönlichen Dämonen, die ihn besiegten. Seine Romane waren so düster und verzweifelt wie kaum etwas in der deutschen Nachkriegsliteratur. Stilistisch und thematisch war er Kafka viel näher als den Roaring Sixties, und die biografischen Hintergründe seiner Themen schilderte er geradezu brutal offen: Das „Tagebuch einer Entziehung“ erschien 1973, vier Jahre später erzählte er in „Die blaue Stunde“ vom erbärmlich armen Leben seiner Mutter und seiner Jugend im Frankfurt der Nazi- und Nachkriegsjahre.

Der „Halbjude“ Frick war mit der Angst aufgewachsen, dass ihn die Nazis jederzeit abholen und ermorden könnten. Seine Romane waren allerdings nicht nur Aufarbeitung, sondern immer auch Kommentar zur Gegenwart, voller Hass auf ein Nachkriegsdeutschland, das nur wenig mit den Nazis abgerechnet hatte. Als er 1979 mit „Breinitzer“ eine Neufassung seines Debüts veröffentlichte, war er nicht versöhnlich geworden: Ein ehemaliger KZ-Arzt versucht sich selbst für seine Verbrechen vor Gericht zu bringen, aber niemand interessiert sich dafür.

Als er sich für ein Weiterleben ohne Schreiben entschied, hatte Hans Frick sich fast tot gesoffen. Einmal im Jahr kam er nach Frankfurt zurück, um diverse Krankheiten behandeln zu lassen. Im Herbst 2001 traf ich ihn dort. Er war nicht unglücklich, dass sein Werk so gründlich vergessen ist, und viel lieber erzählte er von seinem riesigen Wissen über Country, Blues und Jazz.

Hans Frick starb nach monatelangem, schwerem Leiden am 3. Februar im Alter von 72 Jahren in einem Krankenhaus in Huelva, Spanien. FRANZ DOBLER