Das Beste, jetzt

Eine historische Nacht: Avantgarde und Axtmörderrock mit der Kanada-Berlin-Allstar-Band Feedom im Zentral

Die Pausen zwischen den einzelnen Stücken waren lang. Man wusste nicht so recht, wohin mit der leeren Bierflasche und seinen Gedanken. Die Gedanken mussten jedenfalls weg, der Kopf musste leer sein, um das nächste Stück voll aufsaugen zu können. Von dieser Band auf der viel zu niedrigen Bühne im Zentral, die alle Erwartungen, die man an sie hatte, bei weitem übertraf.

Es ist oft Popschreiber-Blödsinn, ein Konzert, bei dem sich der Schlagzeger irgendwann das T- Shirt ausgezogen hatte, zu einem „Ereignis“ zu stilisieren. Trotzdem sei hier jetzt gesagt: Das Konzert der Berliner Band Feedom am 8. Februar im Zentral war der absolute Wahnsinn und der Beweis, dass Berlin wider der derzeitigen Stimmungslage doch nicht die langweiligste Stadt der Welt ist.

Nach dieser Show von Feedom muss es einfach NME- und Face-Titelstorys hageln, und man sollte nicht mehr auf die nächste Platte der Strokes warten, sondern auf die von Feedom. In dieser historischen Freitagnacht hat sich immerhin Berlin verändert, der Puls der Stadt scheint schneller zu schlagen. Man weiß wieder: Ja, da geht noch was. Denn das, was die Allstar-Band, bestehend aus Peaches am Bass, Gonzales am Schlagzeug und Taylor Savy an der Slidegitarre abzogen, war Rock in seiner Essenz. Show. Extase. Alles, was man braucht.

Die Musik? Keine Ahnung, wie man sie beschreiben könnte. Vielleicht indem man den beliebten Kochrezept-Popjournalismus total entgrenzt: Strangulated Beatoffs meets The Brainbombs und Doo Rag, um gemeinsam an der Wegkreuzung, an der Robert Johnson seine Seele dem Teufel vermacht hat, ein Nirvana-Riff-Best Off und Beastie-Boys-Stücke ohne Gerappe einzuproben. Gonzales kann zwar kein Schlagzeug spielen, aber so, wie er Schlagzeug spielte, war es perfekt: stumpf und doch nie ohne Witz. Dazu gab es endlose Bluesrock-Riffs von Peaches und Taylor Savy und kein Gesang, was dem Ganzen eine Avantgarde-Aura verlieh, die wunderbar mit dem ansonsten völlig asozialen Axtmörder-Rock kollidierte.

Feedom gibt es eigentlich seit Jahren. Doch bislang war die Band lediglich ein Mythos. Bevor Peaches, Gonzales und Taylor Savy von Kanada nach Berlin zogen, um Superstars zu werden, hätten sie gemeinsam in einer Band names Feedom Rock gespielt, hieß es immer. Das war das Projekt dreier Unbekannter, die für ein bisschen Erfolg hart ackerten. Heute ist die Band eine launige Extravaganz dreier durch HipHop oder schrägen Pop bekannt gewordenen Underground-Stars. Vielleicht wird es ja bei diesem einen historischen Comeback-Konzert bleiben. Das wäre zu bedauern. Entscheidend aber ist die Erfahrung, dass der Berliner Underground immer noch für Überraschungen gut sein kann. ANDREAS HARTMANN