Die Frau, der keiner gehorcht

Seit Juni drehorgelt Bundesbildungsministerin Bulmahn ein Ganztagsprogramm für 10.000 deutsche Schulen.Jetzt liegt die Vereinbarung auf dem Tisch – aber die Länderkollegen hören nicht auf, an ihrem Programm zu mäkeln

BERLIN taz ■ Edelgard Bulmahn kann gut mit Kindern. Das sieht man jetzt, wo sie tief in der Hocke sitzt und einem dreijährigen Jungen über den Rücken streichelt. Dabei fragt sie ihn, was er denn gerade male. Sie lächelt ihn an, und der kleine Bub erzählt ihr, was auf seinem Bild zu sehen ist. Die Szene ist schön.

Besonders für die Fernsehteams und die Fotografen, die sich um Edelgard Bulmahn, die Bundesbildungsministerin, geschart haben. Das gibt gute Bilder. Und die braucht die Ministerin, denn sie hat wieder mal den großen Aufbruch in der Bildungspolitik versprochen, der unter dem Schlagwort Ganztagsschulen steht. Deshalb besucht die Ministerin mit einem Tross Journalisten die Berliner Ganztagsschule Möwensee im Stadtteil Wedding.

Das „Startsignal für die große Bildungsreform“ ist die Verwaltungsvereinbarung für Ganztagsschulen. Bulmahn hat sie gerade an die Kultusminister der Länder gesandt. „Wir erwarten bald eine Einigung“, sagt sie.

Nur so richtig glauben mag es keiner. Zu lange schon geht der Zwist zwischen Bund und Ländern um den deutschlandweiten Aufbau von Ganztagsschulen. Von 40.000 Schulen zwischen Garmisch und Flensburg soll in den kommenden zehn Jahren jede dritte zur Ganztagsschule ausgebaut werden. Das ist Bulmahns Ziel, und der Bund gibt dafür vier Milliarden Euro.

Aber die Länder sträuben sich. Das heißt, das Geld ist ihnen willkommen – nur Vorschriften wollen sie sich keine machen lassen. Bulmahn knüpft nämlich die Mittelvergabe daran, dass die Ganztagsschule keine bloße Verlängerung der Halbtagsschule wird. Also fordert sie ein „pädagogisches Konzept“. Die Länderminister, etwa Monika Hohlmeier aus Bayern, behaupten nun trotzig, sie verfügten bereits über ein solches. „Frau Bulmahn“, ließ Hohlmeier mitteilen, „hat nach einigen Monaten doch tatsächlich das Grundgesetz gelesen und verstanden, dass die Länder die Kompetenz in der Bildung haben.“

Edelgard Bulmahn geht jetzt durch die Möwensee-Schule. Sie lobt die Arbeit der Lehrer und der Kinder, die so fleißig an ihren Tischen sitzen. Irgendwann fällt das Unheilwort Pisa – und Bulmahn sieht sich nach den Kameras um. Dann erklärt sie, weshalb Ganztagsschulen gut sind für die Kinder, gut für die erwerbstätigen Eltern, gut für Deutschland.

Die Pisa-Studie erschütterte die Politiker. Doch einer zauberte und holte das Kaninchen namens Ganztagsschule aus dem Zylinder: Gerhard Schröder, der Kanzler. Und der kann rechnen. Vor allem die Wahlchancen rechnet er auf die zweite Kommastelle genau aus. Und deshalb wurde Bildung zur Chefsache und Edelgard Bulmahn ein wichtiges Kabinettsmitglied. Im Juni vergangenen Jahres war das. Die Regierung beschloss ein 4-Milliarden-Euro-Programm für Ganztagsschulen. Jenes Programm also, das die Ministerin in 16-facher Ausfertigung in Kuverts verschickt hat.

Nun erklärt Bulmahn fünf Sechstklässlern den Aufbau ihres Ministeriums. Sie stehe ganz oben, sagt sie. Nur der Kanzler stehe noch über ihr. Im März erwartet die Ministerin, über der nur der Kanzler steht, ein Treffen mit den Länderministern für Bildung. Sie erwartet eine schnelle Einigung. Schon seit Juni vergangenen Jahres verbreitet sie diese Hoffnung.

Die Länderminister stehen irgendwie unter ihr. Aber sie gehorchen nicht der Frau, der nur der Bundeskanzler gebieten kann. SEAD HUSIC