berlinale szenen Die Hybris der Cineasten

Schwimmen statt starren

Die Berlinale macht mich high. Ich liebe es, wenn mir ordentlich was abverlangt wird: Platte Pobacken, angestrengte Augen, eingerosteter Rücken. Unterkühlte Minimalgespräche, auf ein „Gut“, „Ärgerlich“ und „Noch nicht reingekommen“ runtergefahren. Ein trauriger Magen wegen tagelanger Snackerei. Allmählich fühlt man sich den Stars sehr nah. Diszipliniert, effektiv, heroisch. Ganz der Kunst verschrieben. Den persönlichen Programmplan kennt man mit verborgener Ehrfurcht auswendig wie mit 17 die Gedichte des Lieblingsautors. Selbst nachts im Traum scheint die Regie neuen Gesetzen zu folgen, schreibt geheimnisvollere, kühnere Geschichten. Entschlossenere. Als ich mich endgültig im eitlen Grenzland zwischen Wirklichkeit und Leinwand befinde, rettet mich eine gut gekleidete, sichtlich erschöpfte Frau mit sehnsüchtigem Ton in der Stimme: „Sagen Sie, kann man hier am Potsdamer Platz nicht auch irgendwo mal schwimmen gehen?“ Verdutzt streiche ich den nächsten Programmpunkt auf meinem Stundenplan und bemerke, wie die Wolken über uns Festivalbesuchern vorbeiziehen. Mein Herz schlägt langsamer. Die Schultern straffen sich. Wie es wohl wäre, neben der sensiblen Cineastin in aller Ruhe meine Bahnen zu ziehen? Ob sie hübsche Füße hat, einen muskulösen Körper, einen schönen Badeanzug? Beinahe hätte ich mich mit ihr zum Schwimmen verabredet.

ELINA KRITZOKAT