Den Mist messen

Christian Hamms Land-Art-Haufen „Smooth“ fügt sich harmonischer in die Kulturlandschaft als in den geplanten Gewerbepark Schönefeld

Das Krokodil tut es, das Rotkehlchen tut es und auch der Berliner Architekt Christian Hamm hat es getan: Haufen bauen, mitten in die Landschaft, gut für die Kraft-Wärme-Kopplung. Hamms Haufen ist allerdings etwas monumentaler als die animalischen: 25 Meter Länge und 4 Meter Höhe misst die aus Gräsern und gehäckseltem Grünzeug bestehende Form. Als wellige Düne erhebt sie sich nahe des möglicherweise bald entstehenden Berlin Brandenburg Airport.

Was dem unbedarften Betrachter zunächst wie ein unschuldiger Komposthaufen erscheint, erweist sich bei näherem Hinsehen als ein kleines Kraftwerk. Mitten in dem Hügel steckt ein Thermometer, das die Temperatur im Mist misst. Eine Digitaltafel zeigt an: 57 Grad zur Zeit, aber das kann variieren – und zwar nicht erst seit gestern, sondern seit der Eröffnung des Projektes im vergangenen Jahr.

„Smooth“ nennt sich der Haufen und tatsächlich fügt sich die Biomasse weich in die umgebende Landschaft ein. Mit sanftem Schwung in einer leichten Senke postiert, fällt der Doppelhöcker zwar als künstliches Gebilde auf, stört aber nicht weiter die ohnehin menschlich geprägte Kulturlandschaft. Löbliche Ziele verfolgt der Künstler und Architekt Christian Hamm mit seinem Land-Art-Projekt, macht den Betrachter auf die bislang nur unzureichend diskutierten Möglichkeiten der Auswertung energiereicher Stoffe aufmerksam. Hamm begibt sich in eine Reihe amerikanischer Land-Art-Künstler, die mittlerweile auch in Europa eine breite Palette von Sympathisanten und Nachahmern gefunden haben. Anders als die Altväter der Land-Art Walter de Maria, Michael Heizer und Robert Smithson geht Hamm aber behutsamer ans Werk. Die Amerikaner schreckten nicht davor zurück, mit Hilfe von Dynamit, Bulldozer und Baumaschinen die von ihnen als „erhaben“ empfundene Natur genialisch zu verschönern und dabei in geometrische Formen zu zwingen. Das führte zu legendären, aber in schwer zugänglichem Areal postierten Installationen wie De Marias „Lightning Field“ oder Heizers monumental emporragendem „Complex One“.

„Smooth“ ist da ganz anders. Hamm käme nie auf die Idee, einer sanft geschwungenen Wiese mit der Brechstange zu Leibe zu rücken. Der Einklang des weich fließenden Gebildes mit den umgebenden Feldern offenbart sich auch dem gänzlich unbedarften Betrachter. Etwas ins Schlingern gerät der hübsch biodynamische Ansatz des Projektes allerdings angesichts des klar definierten Rahmens. Nicht zuletzt ist Smooth das Auftaktprojekt des in Planung befindlichen Land Art Projektes „Kunstfelder“, das die profilierte Kuratorin Anette Schwarz betreut. Die „Kunstfelder“ sind integraler Bestandteil des geplanten Gewerbeparks Schönefeld. Nicht ganz uneigennützig, sondern bedingt durch Auflagen der Bauordnung muss der Investor, einhergehend mit der industriellen Nutzung des dem Flughafen zugeordneten Areals, Grünland zur Verfügung stellen. Also kommt die Kunst zum Zuge. Ganz im Sinne des Investors peppt das hübsche Landschaftsprojekt auch das Image des Bauträgers auf. Wenn später rauschende Flugzeugflotten Kerosinwolken über nett gestalteten Hügeln abladen, stört das auch die dann längst umgesiedelten Anwohner nicht mehr.

RICHARD RABENSAAT

Das Projekt „smooth“ befindet sich in der Nähe des Hotels Holiday Inn im Dorf Schönefeld