Jeder Krieg kennt nur Verlierer

Dumpfe Serben und romantisch verwilderte Bosnier: Danis Tanović’ schwarze Kriegsfilmkomödie „No Man’s Land“

Es ist noch gar nicht so lange her, da musste das westliche Europa lernen, dass in Jugoslawien gar keine Jugoslawen lebten, sondern katholische Kroaten, orthodoxe Serben und Muslime, die man fortan Bosnier nannte. Weder in der Sprache noch im Erscheinungsbild hatten sie sich bis dato groß unterschieden. Dem ungeübten Auge dürfte es deshalb gar nicht so leicht fallen, die gegnerischen Parteien, die in Danis Tanović’ „No Man’s Land“ im Morgengrauen aufeinander treffen, zu identifizieren und auseinander zu halten. Tanović nimmt den Zuschauer ein wenig an der Hand, indem er die Serben tendenziell als militaristische Dumpfbacken und die Bosnier als romantisch verwilderte Partisanen auftreten lässt. Die Sorte schwarzer Komödie, die „No Man’s Land“ vor allem sein will, kommt ohne solche Stereotype wohl kaum aus.

In zügigem Tempo führt der Film seine Figuren in eine jener Zwickmühlen, die wir als Zuschauer so gern beobachten, weil die unermüdlichen, aber stets zum Scheitern verurteilten Ausbruchsversuche unwillkürliches Lachen hervorrufen. Als sich der Nebel lichtet, findet sich der Bosnier Chiki neben seinem toten Freund Cera in einem Schützengraben im Niemandsland zwischen den Fronten wieder. Vor den zwei serbischen Soldaten, die kommen, um die Lage zu inspizieren, kann er sich gerade noch verstecken. Er kann aber nicht verhindern, dass sie seinen toten Freund auf eine Mine legen. In der folgenden Auseinandersetzung erschießt Chiki den älteren der beiden Serben und nimmt den jungen als Geisel. Die eroberte Machtposition stellt sich schnell als verhältnismäßig nutzlos heraus, als sie entdecken, dass Cera noch am Leben ist. Um den Verletzten wegzubewegen, muss nun erst die Mine entschärft werden. Dazu aber benötigen sie Hilfe von außen.

Mit Cera, der gerade dachte, er habe überlebt und müsse nun auf der Mine den toten Mann spielen, stellt Regisseur und Drehbuchautor Tanović eine Situation von existenzieller Absurdität her, aus der sich gallige Funken schlagen lassen. Das Verfahren ist dem Kriegsfilmgenre seit „Catch 22“ und „M.A.S.H.“ nicht ganz unbekannt. Wie aufgezogen wird in „No Man’s Land“ der Mechanismus abgespult, an dem sich der viel beschworene Irrsinn des Krieges kenntlich machen lässt. Chiki und seiner Geisel Nino bleibt in ihrer Not nichts anderes übrig, als die ungeliebten Unprofor-Streitkräfte zu Hilfe zu holen. In der Absicht, dem so genannten humanitären Einsatz endlich Ehre zu machen, will der französische Offizier Marchand gerne das ihm Mögliche versuchen. Sein Vorgesetzter, der britische General, besteht dagegen auf Nichteinmischung. Marchand muss nun seinerseits die ungeliebte, sensationsgierige Presse zu Hilfe rufen, um sein Anliegen durchzubringen.

So kriegen sie alle der Reihe nach ihr Fett ab: der lüsterne Brite, der umgeben von lasziven Sekretärinnen in Uniform gezeigt wird; die eifrige Kriegsreporterin, die hier am Brennpunkt ihre Medienkarriere befördern will; der gutwillige Franzose, der als Runninggag jeden zuerst fragt, ob er Französisch spricht. All diese Klischees wirken im humoristischen Laufwerk als Schmieröl. Für die Dauer des Films, der mit seinem rastlosen Tempo in Bann schlägt, stören sie wenig. Erst im Nachhinein wünscht man sich an manchen Stellen doch mehr Sand im Getriebe. Muss der Macho-Serbe durch schwule Postkartengrüße in der Tasche entlarvt werden? „No Man’s Land“ lässt uns Pazifisten in der wohligen Bestätigung zurück, dass es im Krieg nur Verlierer gibt – aber auch in weiterer Unkenntnis über die Ursachen des Konflikts.

BARBARA SCHWEIZERHOF

„No Man’s Land“. Regie: Danis Tanović. Bosnien-Hrzgew./Slow./I/F/GB/B 2001, 98 Min.