Harte Einschnitte für Repromediziner

Italien hat jetzt das strengste Fortpflanzungsmedizingesetz in Europa: Ei- und Samenspenden sind verboten. Auch die Embryonenselektion im Reagenzglas ist untersagt. Die In-vitro-Befruchtung ist nur noch in Ausnahmefällen erlaubt

Die katholische Kirche in Italien jubelt. Denn sie hat dem Gesetz 1514, das die künstliche Befruchtung regelt, ihren Stempel aufgedrückt. Nein zur Befruchtung im Reagenzglas heißt es im Artikel 4. Nein zur Präimplantationsdiagnostik sagt Artikel 6. Und auch die Ei- und Samenspende ist verboten. Auf künstlich befruchteten Nachwuchs können künftig nur verheiratete Paare hoffen und solche, die in eheähnlichen Gemeinschaften leben. Keine Chance dagegen haben homosexuelle Paare und Singles.

Nachdem die Abgeordnetenkammer der Regierungsvorlage im Juni zugestimmt hatte, votierte auch kurz vor Jahresende der Senat für das strengste Fortpflanzungsmedizingesetz in Europa. Auch Mitglieder der Mitte-links-Partei Margherita schlossen sich der Mitte-rechts-Regierungskoalition, dem Polo, an.

Die Gegner des Gesetzes zur künstlichen Befruchtung – unter ihnen die Linksdemokraten – sind empört. Staatssekretärin Margherita Boniver spricht in Anspielung auf die Kopftuchdebatte von einem „Burka“-Gesetz, das die Unabhängigkeit der Frau untergrabe. Und die Ärzteschaft verweist auf die niedrigen Erfolgschancen und die hohen Gesundheitsrisiken, die die neue Befruchtungspraxis mit sich bringen werde.

Denn eine Reagenzglasbefruchtung (In-vitro-Fertilisation) darf künftig nur noch dann durchgeführt werden, wenn alle anderen Möglichkeiten versagen. Das heißt, die Eizelle soll nicht im Reagenzglas, sondern erst einmal direkt im Mutterleib befruchtet werden. Dies erhöht jedoch das Risiko einer Mehrlingsschwangerschaft – und senkt die Erfolgschancen: von etwa 30 Prozent bei einer Reagenzglasbefruchtung auf knapp 15 Prozent.

Wenn eine In-vitro-Befruchtung in Ausnahmefällen stattfindet, dürfen künftig nur noch maximal drei Eizellen befruchtet werden. Das Problem dabei: Viele der auf diese Weise erzeugten Embryonen sind nicht überlebensfähig. „Das ist so, als wolle man die Brücke von Messina mit nicht mehr als 400.000 Tonnen Zement bauen“, sagt die Europaparlamentarierin Emma Bonino.

Um diesen Unsicherheitsfaktor einzudämmen, wurden bisher möglichst viele Eizellen in vitro befruchtet. Nach zwei oder drei Tagen wurden die beiden fittesten Kandidaten ausgewählt und in die Gebärmutter eingepflanzt. Die potenziellen Geschwisterchen, die nicht zum Zug gekommen waren, wurden eingefroren – für den Fall, dass der erste Versuch scheiterte. Die Folge: In den rund 300 Fruchtbarkeitskliniken Italiens liegen über 20.000 eingefrorene Embryonen. Dies errechnete 2000 eine vom Gesundheitsministerium eingesetzte Kommission.

In Zukunft ist eine solche Dauerkonservierung nicht mehr erlaubt: Die drei in vitro befruchteten Embryonen müssen allesamt in den Uterus eingesetzt werden. Ebenso ist es verboten, Embryonen zu vernichten oder für wissenschaftliche Zwecke zu verwenden. Dabei sind italienische Wissenschaftler auf dem besten Weg, das ethische Dilemma eingefrorener Embryonen zu lösen. Ein vom Gesundheitsministerium unterstütztes Forscherteam unter der Leitung des Bologneser Fortpflanzungsmediziners Carlo Flamigni versucht, unbefruchtete Eizellen einzufrieren – um sie für weitere Befruchtungsversuche bereitzustellen.

Die Schwierigkeit dieses Verfahrens: Eizellen enthalten viel Wasser und können deshalb bei tiefen Temperaturen leicht beschädigt werden. Doch die Forscher sind zuversichtlich, die Technik in den nächsten Jahren zu perfektionieren – und die Gefahr von Fehlbildungen zu bannen. Doch nun steht das Projekt auf der Kippe. Denn das neue Befruchtungsgesetz verbietet auch die Präimplantationsdiagnostik (PID) – also die Untersuchung der Embryonen auf genetische Krankheiten. Von dem Verbot betroffen ist nicht nur die Forschung, auch Eltern, die verhindern wollen, dass an ihren Nachwuchs ein Erbleiden weitergegeben wird, dürfen die PID nicht anwenden. BETTINA GARTNER