Sie wollten doch nur spielen

Das Landeshundegesetz verschärft Auflagen für „gefährliche“ Hunde. In Kölns Tierheimen warten nun Dutzende von ihnen auf den Tod. Selten finden die geächteten Rassen ein neues Zuhause

„Ein Hund muss nach individueller Gefährlichkeit beurteilt werden.“

VON KIRSTEN PIEPER

Die Gegend wirkt trostlos. Rostige Eisenbahngleise schimmern durch das Grün des Gestrüpps. Der Weg ist gesäumt von Brombeerhecken und Sträuchern. Es ist nicht der Ort für gemütliche Sonntags-Spaziergänge. Hierhin verirrt sich selten einer. „Und das hat auch seinen Sinn“, sagt Martin Hilgemann. Abseits des belebten Stadtkerns im Norden von Köln, versteckt auf dem Gelände eines Hundetrainingsplatzes, befindet sich die Auffangstation für gefährliche Hunde. Hierhin bringt das städtische Ordnungsamt sichergestellte Hunde „gefährlicher Rassen“.

Welche das sind, regelt das Landeshundegesetz NRW, das vor einem Jahr von der rot-grünen Koalition in Düsseldorf verabschiedet wurde. Nach dem Tod des sechsjährigen Volkan in Hamburg wurden die Haltungsbedingungen für Pitbull Terrier und andere als gefährlich eingestufte Hunde deutschlandweit verschärft. Der Junge war im Juni 2000 von zwei Kampfhunden angefallen und getötet worden. Folge der Novelle: Die Zahl der sichergestellten Hunde in Köln nahm deutlich zu – von 36 im Jahr 2002 auf 57 im vergangenen Jahr. Auch die Zahl der herrenlos aufgefundenen Kampfhunde stieg 2003 von 16 auf 22.

Martin Hilgemann ist Präsident und Gründungsmitglied des Rottweiler Sport Clubs in Köln. Er öffnet den Kofferraum seines Wagens. Heraus springt sein Rottweiler Ronny. Der Hund rast quer über den Platz. Dabei markiert er so ziemlich jeden Grasbüschel. „Ronny ist ein ganz lieber – will nur spielen“, beschreibt Hilgemann den Charakter des Hundes. Als wolle er den Beweis antreten, ruft er nach dem Tier, das sofort bei Fuß ist. „Das ist alles eine Frage der Erziehung.“ Man versuche ein Feindbild zu schaffen, dabei passten nur zwei Prozent der Hunde in die Kategorie „gefährlich“, so Hilgemann. Der ältere Mann, der sich selbst als Hundeexperte bezeichnet, gibt die Schuld für die Aggressivität der Tiere allein den Hundehaltern. „Schlimm sind die schwarzen Schafe, die aus dem Milieu kommen. Die kriegst du mit keinem Gesetz.“

Die Hundestation betreibt Hilgemanns Sohn Udo. Die Stadt Köln bezahlt ihn pro Übernachtung und pro Hund. Sechs gefährliche Hunde sitzen dort zurzeit hinter Gittern. Die Vierbeiner sollen auf Tierheime in der Umgebung verteilt werden. Die sind jedoch restlos überfüllt.

Immer mehr Kampfhunde werden herrenlos. Die zuständige Beamtin im Ordnungsamt Köln nennt Gründe: „Hundehalter, die einen als gefährlich aufgelisteten Hund halten wollen, müssen nun beispielsweise ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen“, sagt Marina Heyse. Das sei häufig ein Grund für das „Einkassieren“ eines Hundes. Insbesondere Leute aus dem Türsteher- und Rotlichtmilieu suchten sich starke, kräftige Hunde aus. Auch finanzielle Schwierigkeiten führten häufig zu einem jähen Ende der Mann-Hund-Affären: Zur Steuer von jährlich 156 Euro komme eine Haftpflichtversicherung, die je nach Hund bis zu 150 Euro kosten könne. Einige Halter können sich ihre Hunde nicht mehr leisten und geben sie ins Tierheim oder setzen sie aus.

„Von den 80 Hunden hier sind rund 60 Paragraphenhunde“, sagt der Leiter des Tierheims in Zollstock, Ralf Unna. Den Begriff „Kampfhund“ lehne er ab. Er spricht von Paragraphen- oder Listenhunden, weil das Gesetz die 14 „gefährlichen“ Hunderassen in zwei Paragraphen namentlich auflistet. Der Tierarzt lehnt die Rasselisten ab. „Ein Hund muss nach individueller Gefährlichkeit beurteilt werden.“ Schäferhunde stünden beispielsweise nicht auf der Liste, obwohl sie laut Statistik mehr als die Hälfte aller Beiß-Unfälle verschuldeten.

Unna äußert den Verdacht, dass die Listen aus reinster Überforderung entstanden seien – „um dem gemeinen Ordnungsbeamten einen Anhaltspunkt zu geben“. Mit den harten Auflagen für Hundehalter sei an die wirklich schwierigen Fälle nicht ran zu kommen. „Hundekämpfe gibt es hier in Köln nach wie vor“, sagt Unna.

Da Kampfhunde inzwischen verpönt sind, ist die Vermittlungsquote gering. „Genau das wollte die Stadt mit ihren Auflagen erreichen“, sagt Hilgemann. Die Hunde, die niemand mehr haben will, fristen ihre Existenz nun in überquellenden Lagern. Hilgemann streichelt seinem Rottweiler über den Kopf. „Man kann nur hoffen, dass die Tiere mal von alleine sterben“, sagt er. „Das Problem liegt nicht beim Hund, sondern beim Menschen.“