Enten von der Redaktion

In Norddeutschland wurden gestern viele Tageszeitungen bestreikt. Anlass war die heute beginnende Tarifrunde. Gewerkschaften fürchten Lohneinbußen bis zu 20 Prozent

Hannover / Bremen / Hamburg taz ■ Dünne Zeitung? Viele Agenturen? Angestaubte Geschichten? Nicht so bei der taz – denn da die Ihnen vorliegende tägliche Publikation ihre MitarbeiterInnen nach einem (üppig dotierten, hehe!) Haustarif entlohnt, nahm gestern keine tazze am bundesweiten Zeitungs-Streik teil. Anlass war die fünfte Verhandlungsrunde von Verlegern und Gewerkschaften für Tageszeitungs-RedakteurInnen, die heute in Frankfurt am Main startet.

In vielen Redaktionen in Norddeutschland traten hingegen MitarbeiterInnen in den Ausstand, nach Angaben von Deutschem Journalisten-Verband (DJV) und ver.di allein in Niedersachsen 200. Betroffen waren: Hannoversche Allgemeine Zeitung, Neue Presse (Hannover), die Oldenburger Nordwest-Zeitung, das Göttinger Tageblatt, die Neue Osnabrücker Zeitung, die Braunschweiger Zeitung, die Goslarsche Zeitung und das Delmenhorster Kreisblatt.

In Schleswig-Holstein wurden die Kieler Nachrichten, die Lübecker Nachrichten, der Holsteinische Courier in Neumünster sowie die Hamburger Abendblatt-Beilagen in Ahrensburg und Pinneberg bestreikt. Die KollegInnen der Bergedorfer Zeitung in Hamburg gingen gestern davon aus, dass ihr Blatt heute ohne Lokalausgabe erscheinen wird.

In der Bremer Innenstadt verteilten RedakteurInnen von Weser Kurier und Bremer Nachrichten massenhaft gelbe Plastik-Enten. Damit wollten sie deutlich machen, dass die Verleger ihrer Meinung nach „mit ‚Enten‘ arbeiten und falsche Behauptungen aufstellen“. So sei der Vorwurf falsch, dass sich die Gewerkschaften tariflichen Korrekturen verweigerten. Die Landesverbände von DJV und ver.di beteuerten hingegen, sie hätten Öffnungsklauseln für jene Verlagshäuser angeboten, die „in nachgewiesener wirtschaftlicher Not stecken“.

Volontäre des Weser-Kurier wurden gestern – angeblich zu einer Schulung – ins Bremer Stammhaus einberufen, um gemeinsam mit freien Mitarbeitern und leitenden Redakteuren eine Notausgabe zu stemmen. „Wir erscheinen morgen“, sagte Chefredakteur Volker Weise trotzig zur taz.

Nach Vorstellungen der Verleger soll das Urlaubsgeld auf 68 Prozent eines Monatsgehalts verringert und die Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden verlängert werden, zudem sollen fünf Urlaubstage gestrichen werden. Dies würde nach DJV-Angaben einen jährlichen Einkommensverlust von rund 20 Prozent bedeuten. ksc/jox/kva